Wie ich vor den Azoren den Walen nachjagdte
Auf eine Whale Watching Tour zu gehen, liegt auf den Azoren recht nahe. In den Tiefseegräben um die neun Vulkaninseln herum tummeln sich Moby Dicks Verwandte in großen Herden und machen es Mensch und Boot einfach, ihnen beizukommen.
Whale Watching mit Kapitän Noberto
Nach dem Walfang-Verbot 1984 haben sich die Azoren von einem Walfang-Spot zu einem weltweiten Top-Spot für Whale Watching gewandelt. Die besten Chancen auf Sichtung hat man rund um Sao Miguel und zwischen den Inseln Pico und Faial. Im Hafen von Horta geh ich bei Kapitän Noberto an Bord, nachdem er uns Passagieren erklärt hat, was wir theoretisch heute alles sehen könnten.
Noberto fährt täglich zweimal zum Whale watching raus. Mal mit Schlauchboot, mal mit Fieberglas-Boot. Man ist schnell bei den Walen, die tiefen Seegräben sind nicht weit von der Küste. Per Telefon hält der bärtige Hippie-Kapitän Kontakt mit dem Ausguck an Land, der die Position der Wale übermittelt. Das gut vernetze Ausguck-System hat man übrigens von den Walfängern übernommen.
Moby Dick war gar nicht weiß
An Bord von Nobertos Boot bricht schnell das Jagdfieber aus. Hinter jeder Welle wird ein Wal vermutet, die begleitenden Delfine interessieren uns kaum. Meeresbiologin Lisa Steiner beantwortet die Fragen der Passagiere, während ich gebannt die Meeresoberfläche scanne. Die Frage nach dem weißen Wal musste kommen. Ja, sie hat selbst zwei weiße Pottwale in ihren 20 Jahren Forschung gesehen. „Sie sind sehr oft eher hellgrau als wirklich weiß oder gar Albinos.“, sagt Lisa. Das Buch Moby Dick beruht auf einem echten hellgrauen Wal. Kein Mythos, Melville hat bei Walfängern nicht nur gut recherchiert, sondern auch deren reale Erlebnisse verarbeitet.
Azoren ideal fürs Whale Watching
Während wir weiter aufs blaue Wasser starren, frage ich die Meeresbiologin, ob Whale Watching Touren auf den Azoren anders oder spezieller sind, wenn man hier 95% Sichtungsgarantie gibt. „Die Azoren sind weltweit einer der besten Orte fürs Whale watching“, sagt Steiner. Zum einen seien die Wale wirklich sehr nah an der Küste, zum anderen sei das Netz der Ausgucke ideal, um die Tiere zu finden. Außerdem sähe man hier nicht nur Bullen (wie in Norwegen und Neuseeland), sondern auch Muttertiere und ihre Kälber. „Die große Vielfalt der Wale kann hier beobachtet werden – selbst auf einer 3-Stündigen Tour kann man 4 bis 5 Spezies sehen. 28 verschiedene Arten von Walen gibt es insgesamt auf den Azoren“, erklärt die Wissenschaftlerin. Neben den Pottwalen, könne man vor allem im Frühjahr auch Buckelwale, Finnwale und sogar die ganz großen Blauwale sehen.
Pottwal voraus!
Noberto reißt das Steuer herum und uns aus dem Gespräch. „Da vorn, auf 11 Uhr!“ ruft der alte Seebär und augenblicklich sind alle Blicke auf den Ozean geheftet, wo Mutter Wal und ihr vier Meter langer Sprössling Bilderbuch-Fontänen im 45-Grad-Winkel in die Luft sprühen. Es klicken die Kameras, 300 Meter sind die beiden Meeressäuger nur entfernt, näher darf kein Boot heran. Sie zeigen uns den Buckel und die Rückenflosse. Mit einem Winken verabschieden sie sich: Schwanzflosse in die Höhe.
Darauf haben wir gewartet, wieder klicken die Kameras im Dauerfeuer. Da Pottwale bis zu 45 Minuten unter Wasser bleiben können, dauert es bis zur Wiederholung des Schauspiels fast zwei Stunden. Dafür winkt auch dann Mutter mit Kind brav mit der Schwanzflosse bevor sie hinab gleiten ins mysteriöse Dunkel der azorischen Tiefsee.
Damit geht es zurück an Land und für mich noch einmal zu den Vulkanen Faials, bevor ich morgen wieder nach Sao Miguel zurückhüpfe.
Walische Grüße!
Claudi
Ich reiste auf Einladung von Associação Turismo Açores. Vielen Dank dafür!
Stichworte: ausflug, faial, insel, meeresbiologie, pottwal, Tiere, whale watching