Wie ich die Welt in meiner kleinen Heimatstadt wiederentdeckte
Schon allein, weil ich diesen Christus da nicht mehr an oberster Stelle auf der Seite stehen sehen kann, also ein neuer Eintrag für die treuen Fans! Es geht weiter um die Welt! Beziehungsweise in der Welt. Hier sind Beweise, wie klein die Welt sein kann. Zur Zeit weile ich in einem 3000-Seelen-Nest namens Allstedt irgendwo im Osten Deutschlands, wo ich einmal mehr festgestellt habe: Man muss nicht in die große weite Welt fahren, um was zu sehen und zu erleben!
Beweis 1: Mount Doom in Neuseeland? Pah! Hier gibt es 3 Schicksalsberge. Vorwiegend haben die Schachtarbeiter hier ein armes Schicksal erlitten und Kupfer abgebaut. Aber die Halden machen sich hervorragend als Blickfänger in der Gegend! Man kann sogar hochklettern… nur Lava fließt da nicht :I
Beweis 2: Tauchen am Great Barrier Reef? Hier kann ich bunte Fischies sehen ohne mich nass zu machen! Papas Aquarium ist doch klasse, oder?
Beweis 3: Kuriose Schilder, die vor Surfern oder Taschendieben warnen? Das hier prangt metergroß in meiner Geburtsstadt. Man möchte die Einrichtung einer Schweinemastanlage unweit der Stadtgrenzen verhindern… Es stinkt den ehrwürdigen Bürgern dieser Stadt ein wenig, das man dadurch Arbeitsplätze schaffen könnte. Kleinbürgertum der schönsten Art!
Beweis 4: Geschichtsträchtige Orte. Auf unserem Friedhof liegt nicht Stefan Zweig begraben, aber auf unserem Schloss hat mal der alte Goethe geurlaubt. König Heinrich persönlich hat hier im Mittelalter residiert!
Beweis 5: Unter den Linden ist eine berühmte Straße in Berlin? Haben wir hier auch! Und in Allstedt stehen auch noch die Linden.
Beweis 6: Ein pittoresker Stadtteich mit Federvieh und Katze in Reykjavik? Bei uns steht nicht das Rathaus im Teich, sondern ein Bootshäuschen, aber hier ist es auch nicht so kalt wie in Reykjavík. Und WIR haben schwarze Schwäne mit roten Augen… doll, oder?
Beweis 7: Sonnenuntergänge über dem Meer? Am Taj Mahal oder Angkor Wat? Hey, ich bin um die ganze Welt gereist, aber ich habe keinen einzigen Apfelbaum dabei fotografiert! Außerdem sind Sonnenuntergänge doch überall schön.
Zuvor war ich in Darmstadt und habe das Hundertwasserhaus besichtigt – aus dem Café gegenüber. Was ich übrigens in Australien nicht gemacht habe: ein Känguru-Steak essen nämlich, habe ich dort auch nachgeholt. Mann, die Tiere liegen schwer im Magen! Aber das blaue Sofa in der Pension Zech kann ich empfehlen! In Halle an der Saale war ich auch. Ich sag euch, Tokyo um Mitternacht? Ruhig und leer. Rio um Mitternacht? Weniger ruhig und leer, aber lustige Leute unterwegs. Halle um Mitternacht? Vergesst bloß nicht das Tränengas mitzunehmen! Unheimlich! Außerdem war ich in der Barbarossastadt Gelnhausen auf Hochzeit (erinnert mich nicht daran!), in Hanau zum Toto-Konzert (gar nicht mal so übel), in Frankfurt zum Fußball-gucken (Deutschland-Ecuador) und in Leipzig auf Stippvisite (2 Stunden An- und Abfahrt für 2 Stunden Aufenthalt). Und nun mach ich Station in 06542 Allstedt.
Die Weltstadt Allstedt ist klein, aber trotzdem kein Dorf. Nein, wir rühmen uns mit einer ersten Erwähnung bei Thitmar von Merseburg im Jahre 736, Stadtrecht gab es 200 Jahre später. Umgeben von Wiesen und Feldern, einem Wald und den Ausläufern des Harzes lebt man hier recht idyllisch und abgelegen. Neben Schloss, Teich und einem verwunschenen Turm gibt es ein Freibad, ein Rollhockey-Stadion, Walz- und Malzfabrik (beide geschlossen), eine Molkerei (auch geschlossen), eine Kirche (Evangelisch-Lutherisch), 2 Schulen und … 5 Kneipen. Zur Freizeitgestaltung empfiehlt sich Baden gehen oder Wandern in den „Wüsten Bergen“ bzw. durchs Rhonetal (jaha, so klein ist die Welt!). Durch diese wandelte schon der alte Goethe (hab ich schon erwähnt, oder?) zum Schloss rauf, wo man eine tolle Aussicht über das Städtchen unten hat. Und wer gern radelt, schwingt sich auf einen Drahtesel und fährt die Radwege ab, die die Stadt eigentlich schon einkesseln. Oh, und ganz wichtig: Segelfliegen. Kann man in Allstedt II, einer alten Garnisonsstadt, oben im Wald. Da hatten die Russen nämlich einen Flugplatz. Sie haben Jahre gebraucht, um nach dem Abzug der Truppen nach Minen zu suchen, aber mittlerweile kann man da wieder den Fuß auf den Boden setzen ;)
Generell ist das Befinden eher so lala. Ich erkunde Wald und Flur, gehe viel Wandern – meist mit Frodo und Sam durch Gorgoroth nach Mordor. Dann guck ich aus dem Fenster, sehe Mount Doom und die aufziehenden schwarzen Wolken… Meine Mailbox holt mich hin und wieder nach Mittel-Deutschland zurück: Wir bedanken uns für Ihre Bewerbung und das damit entgegen gebrachte Interesse an unserem Unternehmen. Löschen. Und neue Mail aufsetzen. Zwischendurch such ich schon mal nach der ein oder anderen Unterkunft in der ein oder anderen europäischen Großstadt – man muss ja nochmal in den Urlaub, bevor die Plackerei wieder losgeht. Und sonst genieße ich den All-inclusive-Service im Hotel Mama.
Morgen zeig ich euch Bilder vom Rathaus, dem Kyffhäuser und der klappernden Mühle am rauschenden Bach!
bleibt mir gewogen!
Claudi, (Deutschland)bummlerin