Wie ich in Wellington zum Ring-Verfolger wurde
Wellington ist wellig. Wellington ist windig. Wellington ist meist regnerisch. Wellington ist die Hauptstadt Neuseelands. Wellington ist die südlichste Hauptstadt der Welt… Wellington ist so einiges. Und es ist die Heimat von Sir Peter Jackson – und damit das Hollywood Neuseelands, inklusive einem eher lächerlichen Schriftzug an einem eher flachen Berg, der eben nicht „Wellywood“ besagt, sondern nur den englischen Ortsnamen trägt.
„Herr der Ringe“-Tour mit dem Olifantenführer
„Wellingtoner sind spießig“ sagt Todd, er selbst hätte den Claim für den einzigen Filmindustriestandort des Landes sehr lustig gefunden. Aber Todd ist ja auch Schauspieler. Zusammen mit zwei Mädels aus Australien kutschiert uns Todd durchs wolkig-windige Wellington, für Rover Tours spielt er heute den Reiseführer zu den „Herr der Ringe“-Plätzen im und um das filmische Zentrum Neuseelands. Nach der Hobbiton-Tour in Matamata musste das ja sein ;) Am Embassy Theater fahren wir nur vorbei, natürlich war er hier zu jeder der Trilogie-Premieren und auch für den Hobbit erwartet er großes Brimborium. 500 Meter war der bisher längste rote Teppich vom Courtenay Place (die Hauptstraße quasi) bis zum Kino reichte der. Aus einem ganz bestimmten Grund ist es Todd, der hier die Filmset-Führung macht: er war nämlich selbst auf der Leinwand, als Olifantenführer im dritten Teil der Reihe.
Per Aufzug zum Haus am Hang
Das erzählt er so ganz nebenbei und dann geht es den Mt. Vicotria hinauf, wo wir staunend die Miniatur-Cable-Cars an den Häusern wahrnehmen. Ja, die Leute fahren mit Miniaufzügen die Berghänge zu ihren Häusern rauf. Das sollte mal einer in der Cinque Terre (Italien) einführen, was hab ich da in den steilen Gassen geschnauft! 400 gibt es in ganz Wellington von den Dingern. Todd lässt uns an einem Wäldchen aussteigen. Wir gucken kurz nach links zum Flughafen und dem Stadtteil Miramar rüber, dann geht es rechts zu den Nazgul.
Ducken und abrollen wie Frodo
Ja, mitten rein in den dunklen Kiefernwald, in dem morgens um 3 Uhr Frodo und die Gefährten zwischen den knorrigen Kiefern unter einer riesigen Wurzel Schutz vor den Ringgeistern fanden. Wir dürfen uns dann auch mal zu viert unter die berühmte Wurzel setzen – Hobbitfeeling soll aufkommen! Wir üben noch ein bisschen Abrollen-Vortäuschen an einer anderen Wurzel – Frodo purzelte da irgendwo auch lang. Die beiden Mädels, die uns begleiten, entpuppen sich als Hardcore Fans. Die größere von beiden guckt die Trilogie wann immer sie krank ist oder Zeit hat. Sie kann nicht nur sämtliche Dialoge auswendig, sie kann auch die Bäume wiedererkennen, die es aus diesem verwunschenen Zauberwald auf die Leinwand geschafft haben. Ich bin beeindruckt und entsetzt gleichermaßen. Mein Hirn wäre zu dieser Erinnerungsleistung nicht fähig.
Keine Orks am Anduin
Wir wechseln die Location und fahren zum Tawakairangi River, auch bekannt als Hutt River. Auf Tolkienisch bedeutet das: wir sind am Anduin, dem Fluss, auf dem die Gefährten mit Kanus lang paddelten und dabei von den Orks am Ufer bös beäugt wurden. Mehr und andere Anduin-Szenen drehte man in Queenstown auf der Südinsel. Angesichts des Bächleins, das hier vorbeiplätschert sind wir eher mäßig mitgerissen… ein Ork im Hintergrund hätte der Fantasie vielleicht geholfen.
Aus dem Nähkästchen vom „Herr der Ringe“-Dreh
Auf dem Weg zum Rivendale Tal erläutert Todd, dass vier Location Scouts 12 Monate lang das schöne Neuseeland nach Tolkien-Landschaften abgrasten. Und nebenbei erzählt er immer mal wieder von den Dreharbeiten. Dass zum Beispiel Viggo Mortensen bei seinem Filmpferd schlief, um sich mit dem „Filmpartner“ besser anzufreunden. Das selbe Pferd hat ihn später in einer Szene beinahe zerquetscht. Auch von den Orks-Drehs weiß Todd lustiges aus dem Nähkästchen zu plaudern: die Statisten und Schauspieler mussten beispielsweise morgens in einem Ort aufwendig geschminkt werden, und wurden dann mit Bussen zum Drehort gebracht. Die Öffentlichkeit sah des Öfteren Busse voller Orks vorüberfahren. In den Drehpausen tanzten die Herren in ihren hässlichen Masken auch sehr gern, denn viele sind wohl Musicaldarsteller. Todd hat sichtlich Spaß an diesen Geschichten.
Das Bruchtal – ein Ast!
Im Kaitoki Regional Park erblicken wir Rivendale. Nagut, wir erblicken eine Brücke, ein Flüsschen, und viele Bäume. „Der Ast da hinten, das ist der Ausgangspunkt für Rivendale“. Ein Ast! Ein Ast hat es in den Film geschafft! Den Rest der Elbenstadt hat man am PC konstruiert. Und um die Ecke mit jeder Menge Bauschaum gemauert. Herr Jackson ist ein Perfektionist. Als solcher hat er neben dem natürlichen mal eben einen künstlichen Wasserfall bauen lassen – der sieht weißer aus… Weil er nach dem Dreh die ursprüngliche Landschaft aber wiederherstellte, erinnert an dieser Stelle nur noch eine Birke an den „Herr der Ringe“, den Jackson dort pflanzen ließ.
Wandeln wie Gandalf
Wir bestaunen noch den Eichenbaum, unter dem die Promofotos mit den Hollywood-Schauspielern für den dritten Teil geschossen wurden. Dann geht es zum Picknick mit Muffins und Kaffee in einem kleinen Park, in dem man ebenfalls eine Szene drehte. Hier wandelten Gandalf und Saruman durch den Garten. Wir auch und machen fleißig Fotos vor Rhododendronbüschen mit Zaubererstöcken.
Weta – Neuseelands größtes Insekt
Voller Wissen über Spezialeffekte, Blooper, falsche Perspektiven, Miniaturmodell-Einsätze und Blue Screen-Szenen bringt uns Todd dann noch in die echte Weta-Höhle (Jacksons Produktionsstudio heißt Weta Workshop/Cave). Ja, der Mann mit dem lustigen runden Gesicht lässt uns in eine schmale Spalte in eine Felswand kriechen und macht die Taschenlampe an. An der Decke kleben sie: riesige Mehrbeiner mit langen Fühlern. Wenn man sich dann vorstellt, dass sich so eine fast zehn Zentimeter lange Schrecke einfach mal von der Decke fallen lässt… ich war schnell aus der Höhle raus.
Gollum begrüßt Passagiere am Flughafen
Nach diesem Highlight habe ich auf das echte Weta Cave Filmmuseum verzichten wollen, da gibt es eh nur Kostüme und Schnickschnack für die ganz großen Fans. Wir lassen uns lieber in der Cuba Street absetzen und lunchen im Floridates, berühmtes Frühstücksrestaurant, so sagte man uns. Todd muss los zu Frau und Kindern – wir lassen uns lieber Eier in kindischen Panda- und Schwaneneierbechern vorsetzen, bevor wir zur Flughafen-Besichtigung aufbrechen. Dort hängt er, der Begrüßungs-Gollum der Stadt. Die Figur soll das Hobbit-Zeitalter in Neuseeland einläuten und heißt Touristen in Wellywood willkommen. Er wird leider nicht dauerhaft dort bleiben. Und auch wir werden morgen die windige Stadt gegen eine hoffentlich nur wenig wackelige Fähre eintauschen.
Infos:
Rover Tours Halbtagstour zu den „Herr der Ringe“-Schauplätzen in/um Wellington kostet 95 NZD, Ganztagstouren 190 NZD
Vielen Dank an Rover Tours für die Unterstützung dieser Recherche
Many thanks to Rover Tours for supporting this research