Ein Arbeitstag als Reiseblogger rund um San Salvador
Ah, dieser Enthusiasmus. Dieses strahlende Lächeln. Diese erwartungsvollen wachen Augen. Dieses liebevoll gestaltet Begrüßungsschild mit dem Namen des Blogs darauf! Eduardo, der Arme, er trifft mit all seiner Begeisterung auf die müdeste Reisegruppe aller Zeiten. Morgens kurz nach 8 an einem grauen Tag in San Salvador schleifen wir uns mit müden Augen und müden Füßen aus dem Flughafen hinaus und warten von Nieselregen bedröppelt auf Reiseleiter Eduardo, der eben nur das Auto holen will. Er ist so aufgedreht, wir sind so das Gegenteil, fertig mit der Welt, um 4 Uhr morgens ausgestanden, an Tag 10 einer verdammt heißen, schwülen und voll durchgeplanten (Presse)Reise.
Reisebloggen – Tough job, but someone’s got to do it
Als unser Guide vorfährt, steigen wir zu den Regenschirmen ins Auto und bekommen zur Begrüßung: eine Reiseschutzversicherung! Das ist neu, aber witzig. „So, let’s have fun!“ ruft Eddie und grinst. Die Antwort ist leise und zäh. Wir fragen dennoch vorsichtig an, ob denn jetzt wirklich schon die Vulkanwanderung auf dem Programm steht. Eduardo schaut von einem Gesicht zu nächsten und hat Mitleid. Nein, erst zum Hotel. Wir verhandeln, wir wollen ausruhen und schlafen. Niemand hat bei der Planung dieser Reise bedacht, dass wir erst nach 3 Tagen aus dem Jetlag sind, an andere Klimabedingungen gewöhnt sind, das hier alles Arbeit ist und mehr als 10 Stunden am Tag an Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. 14 Tage rund um die Uhr recherchieren – wie kam ich auf die Idee, dass das Spaß sein würde?!
El Salvador – das Land der einen Stunde
Eddie fährt uns in die City, nach San Salvador. Nur eine Stunde Fahrt, denn „alles in El Salvador ist eine Stunde von unserer Hauptstadt weg“. Meine Augen ringen mit dem grellgrauen Himmel, der Müdigkeit und dem Bedürfnis ja nichts zu verpassen. Ich muss doch die Atmo saugen, die Stimmung hinterm Fenster auf mich wirken lassen, Eindrücke sammeln…. Ich döse weg. War klar. Im Hotel sind immerhin die Zimmer morgens um 9.30 bereits fertig, wir fallen in die Betten. Auf Knopfdruck zwei Stunden schlafen, los mach! Geht nicht und von nebenan höre ich den Fernseher. Die anderen sind offensichtlich auch zu übermüdet, um zu schlafen. Beim Frühstücksbuffet sitzen wir jeder an einem extra Tisch – wir brauchen Platz für uns, Teller, Tasse, Handy, Notizbuch und Laptop. Wir schweigen, jede tippt und nippt am Kaffee. Schnell noch ein Fotoalbum für Facebook schneiden und posten, dann geht es um 12 Uhr los.
Suchbild mit Vulkan
Eddie macht seinen Job. Er redet und erklärt Hochhaus-Bestimmungen, schlechte Baumaterialien und Korruption, ich kritzle im Notizbuch mit. Es sind nur 35 Kilometer bis zum Vulkan Quetzaltepec, dem Hausberg von San Salvador. Die (wunderbar ausgebaute) Autobahn ist begrünt, das gefällt mir. Aber es regnet dennoch und die Aussicht auf eine Wanderung im Regen macht mich als Wandermuffel gleich noch schlechter gelaunt. Eddie hat Antennen, ganz sicher. Er kurvt die Serpentinen mit bedachter Mine hoch und parkt an einem Restaurant. Muttertagswochenende! Alles voll. Wir kurven zum nächsten Lokal. Hier gibt es Platz, keinen Regen mehr, und die Aussicht auf: Wolken und Nebelbänke, da unten soll ein Tal sein, gegenüber Vulkane. Ich fotografiere eine pinke Hibiskusrose, die vom Regen geknickt zu Boden guckt. So geht’s mir auch, meine Blume.
Nationalpark El Boqueron
„Es wird keine große Wanderung“, beruhigt uns Eddie im Auto, zurück auf der Serpentinenstraße. Ganze Laster, aus denen die Menschen seitlich herausquellen, kommen uns entgegen. Es wird kühler, wir fahren höher. Am Straßenrand taucht das Feiertagsvolk wie Zombies aus den Wolken- und Nebelbänken auf. Am Parkplatz verwandeln auch wir uns in Zombies und tauchen in den Nebel ein. An einem kleinen Weg neben dem Parkeingang grillen feiste Damen Maiskolben und verkaufen Obst und Gemüse. Rot und Orange leuchten die Beeren und Wurzeln im Weiß und Grau des Nebels. Blumen für den Muttertag gibt es auch, Mystik wabert um die Szenerie.
Wir „wandern“ einen kleinen Weg hinauf, im feuchten Nebel geraten die Holzplanken zu Schlitterfallen und der Pinienwald um uns herum schaut hochnäsig aus der Schwarzweiß-Kulisse herab. Und dann klicken wir: Wir machen jetzt das Beste draus. Reden von mystischem Nebelwald und bewundern die super Schwarzweiß-Fotos, künstlerisch wertvoll, verwunschener Wald und so. Einige wenige Stufen aufwärts stehen wir am Krater des Vulkans. Wenn Eddie uns nicht gesagt hätte, dass das der Krater des El Boqueron ist und wir soeben in die Caldera blicken… äh ja.
Eine weiße Wand breitet sich am Mirador aus. Als ob am nächsten Ausguck bessere Sicht sein könnte, ziehen wir weiter am Holzgeländer entlang tastend. Der feine Niesel benetzt Zedern und Blumen um uns herum, die Einheimischen sitzen unter Verdecken und machen Fotos vom Familienausflug. Es ist ok, den Vulkan zu beklettern ohne ihn zu sehen. „Es gibt offiziell 125 Vulkane in El Salvador“, hatte Eduardo bereits informiert. Gut, wir nehmen dann den nächsten fürs Foto. Die Tour ist nach 5 Miradoren und einer guten Stunde vorüber. Im Infocenter lesen wir dann nach, dass der Vulkan unter dieser Wolkendecke tatsächlich nur schläft und zuletzt 1917 von sich hören ließ.
San Salvadors außergewöhnliche Kirche
Zurück in San Salvador verstaue ich die dicke Kamera unter meiner Jacke (wie eine Beule an der Seite, total unauffällig) und wir lassen uns von Eddie überraschen. Er will uns strahlen sehen, der Mann ist eisern gut gelaunt. Und bringt uns in die Iglesia El Rosario – eine Betonkirche. Aber was für eine! Eddie ist Fotografie-Fan (ja, wer nicht?) und will uns etwas bieten. Nein, die Kirche war nicht auf dem Programmplan. Aber sie ist wahnsinnig interessant. Der Betonbau sieht äußerlich unspektakulär bis hässlich aus, einzig die Form eines Bogens ist ausgefallen. Als wir eintreten, leuchten uns die regenbogenfarbenen Glasfenster der einzelnen Lamellen des Bogens entgegen. Der Versöhnungsbogen Gottes mit der Menschheit in Beton und Glas – was für eine Symbolik!
Ein Fries zieht sich um den gesamten Innenraum, Architekt Martinez hat hier mit Schmiedeeisen und Schrott biblische Szenen nachgestellt. Abstrakt und doch sehr gut erkennbar. „Wenn am Morgen die Sonne zu den Fenstern hereinscheint, ist das eine unbeschreiblich Lichtflut“, flüstert Eduardo herüber. Es muss wunderschön sein. Ich nehme Platz, klapp das Notizbuch zu und lass wirken, endlich mal Ruhe, auch im Kopf. Ich liebe meinen Job, genau hier und jetzt ist er der Traumjob, den ich immer wollte und habe. Aber verdammt, wir haben nicht die Zeit, uns dieses Morgenleuchten anzusehen, es ist wieder nur die Spitze des Eisbergs. Zähneknirschen.
Downtown San Salvador – keine Gefahr im Verzug
Die Sonne hat sich bereits verabschiedet als wir aus der Iglesia treten. Aber der Himmel ist nicht mehr ganz so wolkig. Eine kleine Runde drehen wir noch durch Downtown. Die Salvadorianer lächeln von ihren Marktständen herüber, wenn wir sie höflich angrinsen. Unsicher fühlen? Es scheint keinen Grund zu geben. „El Salvador ist nicht gefährlicher als andere Länder. Man muss aus bestimmten Gassen herausbleiben und sollte keine Dinge mit sich herumtragen, die offensichtlich protzig sind.“, hatte Eduardo schon beim Lunch erklärt. Er wünscht sich mehr Besucher in seinem Land und er bedauert das schlechte Image.
Wir bedauern unsere Müdigkeit und verschwinden ohne Abendessen in unseren Zimmern. Ich halte durch bis 21.30 Uhr und bereite eine weitere Salve Bilder fürs soziale Netzwerk vor, sag meinem Freund per Chat gute Nacht. Auf Englisch sagt man das immer so schön: „Let’s call it a day“ – also, lasst es uns einen Tag nennen und abschließen.
Gute Nacht :)
Diese Recherchereise wird unterstützt von Visit Centroamérica. Vielen Dank dafür!
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