Wie ich mich im kleinen Rovinj ganz groß verlaufen habe
„Ich kann dann auf dich an der Fontane in der Altstadt warten. Du findest das, einfach die Hauptfußgängerstraße entlang laufen.“
Ich: „Ok“
Sie: „Bis 14 Uhr!! “
14:04 „hab mich verlaufen! :D Trg piazza valdibora – wo ist die fontana?“
14:06 „Da wo die Baustelle ist“
14:07 „Seh ich die von hier?“
14:07 „Du bist an einem anderen Platz“
14:08 „Zu welchem muss ich? Haste nen Namen? Dann findet das Navi auch“
Wir telefonieren dann doch lieber, per SMS wird das nichts.
Sie: „Ich kenne den Namen des Platzes nicht, aber glaub, ich weiß wo du bist. Lauf mal die Straße weiter.“
„Welche, die Touristraße weiter am Wasser oder an der Hafenmauer weiter nach links?“
„Hä? Ist an dem Platz eine Bank?“
„Ja hier ist ne Bank. Und ein riesiges Denkmal, dahinter Wasser.“
„Okkaaaayy, bleib dort, ich komme hin.“
Vom Suchen und Finden in einer Ministadt
10 Minuten später steht sie vor mir: „Du bist ja direkt an unserer Wohnung!“ Und hier sei keine Bank, sondern Bänke. Es ist ein Wunder, dass wir zur selben Zeit an einem Urlaubsort sind und uns dann auch noch gefunden haben. Man muss dazu sagen: wir kennen uns seit 13 Jahren, 4 Jahre haben wir zusammen gearbeitet als Reiseredakteurinnen, Orientierung hat das scheinbar keiner von uns gebracht. :D
Dabei ist Rovinj eigentlich ein Fliegenschiss von einem Ort (ca. 15.000 Einwohner). Die Altstadt wirkt, allein von der Marina aus betrachtet, die ich ja schon entlangwanderte, eher klein. Aber die verwinkelten Gassen reichen aus, um mich völlig zu verwirren. Meine Freundin Zeljka hat sich in der Altstadt eine Dachwohnung zugelegt und macht mich Dank des Verlaufers jetzt auch noch neidisch mit Adria- und Terracotta-Dachziegel-Meerblick aus der denkmalgeschützten 300 Jahre alten Wohnung. Ich könnte mich glatt einmieten, wohne selbst aber auch nicht schlecht den kleinen Schlenker Fußweg entfernt im Monte Mulini.
Trüffelstadt Buzet
Ich muss ihr zunächst von meiner Ankunft in Kroatien berichten, gestern nämlich war ich noch in einem Örtchen namens Buzet. Die Trüffelstadt Kroatiens nennt es sich, das kleine Dörfchen. Zeljka war selbst noch nicht dort und horcht auf, als ich vom Hotelmenü mit Trüffel in allen Gängen erzähle, sogar im süßen Nachtisch. Sie muss aber auch grinsen als ich von meinem kleinen Lackkratzer berichte, den ich meinem Mietwagen in den engen Gassen Buzets zuzog. Was habe ich geschwitzt und gekurbelt, um aus den immer enger werdenden Sträßchen bei zusätzlichem Gefälle oder Steigung wieder heil herauszukommen!
Wer auch immer dort hinfährt: Stellt das Auto vor dem Stadttor ab. Man beschaut sich den Altstadthügel viel besser zu Fuß. Durch die Kastanien am Straßenrand flimmerte die Abendsonne ganz bezaubernd und was ich während meines Fahrmanövers aus dem Augenwinkel sehen konnte: Blumentröge vor den Haustüren, urige Natursteinwände und buckeliges Kopfsteinpflaster. „Sehr malerisch“ schwärme ich einer Kroatin von ihrer Heimat vor. Sie grinst, natürlich. Ich schmeichle ihr, das weiß ich ;)
Spaziergang im Kleinstadt-Irrgarten Rovinj
Bei so viel Sonnenschein und Wärme darf man auf keinem Fall im dick isolierten Zimmer bleiben. Erst noch einen kurzen Plausch mit den Klamottenverkäuferin vor der Haustür und dann zeigt mir meine Freundin Rovinj und all seine Gassen – treppauf, treppab, denn das Städtchen sich hat auf einem Hügel am Meer angesammelt. Der Putz bröckelt hier und da vom den mediterran rot, gelb und orange angepinselten Fassaden, blühende Geranientöpfe hauchen ihnen Leben ein. Balkone von steinernen Löwenfiguren gestützt fallen mir auf und tatsächlich, als ich zum dritten Mal anmerke, das wäre alles so italienisch, gucken mich venezianische Masken aus dem Schaufenster an. Das habe ich nicht erwartet. Andererseits ist es kein Wunder, Rovinj und eigentlich die gesamte Küste Istriens gehörte lange Zeit zur Republik Venedig, länger als zu Jugoslawien.
Das Venedig Kroatiens
Das Schöne an diesem Stückchen ehemals-Venetien sind die vergleichsweise wenig Touristen. Die Saison gehe aber auch erst in zwei Wochen los, erfahre ich. Dann ist auch Rovinj voller Menschen. Das Venedig Kroatiens hält diesem Vergleich trotzdem nicht so ganz Stand. Es gibt keine Kanäle, entsprechend keine Brücken (eine gab es mal) und Masken trägt man hier auch nie – die kaufen nur Touristen, die nicht wissen, was sie tun. Einzig der Campanile auf oberster Hügelposition, der Baustil vieler Altstadthäuser und die Adria vor der Haustür lassen es Venezianisch anmuten.
Ich will aber gar nicht durch ein alternatives Venedig laufen. Ich will was Kroatisches oder Istrisches! Zeljkas Idee, da wir eh langsam müde werden: Mittagessen wie die Einheimischen. Im Ancora sitzen wir auf der Küstenterrasse – ohne Strand könnte man vom Tisch aus direkt ins blaue Wasser hüpfen. Der Wind weht kräftig, dann riecht man wenigstens den Knoblauch nicht, in dem die Muscheln schwimmen, die meine Freundin orderte. Ich bin da konservativer (und ja sowieso ein Fischverächter) und nehme – wie sollte es anders sein – Cevapcicis :D Eigentlich gehöre jetzt ein Malvasia auf den Tisch, aber für Wein ist es mir zu früh und zu heiß.
Galerien und Souvenirgeschäfte
Nach dem Essen soll man ruhen, aber wir schaffen noch einen kleinen Foto-Spaziergang. Die Leute hängen die Wäsche über die Gasse – kenne ich auch nur aus Italien. Die Häuser sind schmal und hoch, die Fenster dennoch tief genug, um problemlos im Vorübergehen einen Blick in die Geschäfte zu werfen. Da ist ein Künstlerladen am anderen. Designerin Katja Pucic bemalt z.B. sämtliche Kleidungsstücke mit Mode-Accessoires. Sie malt direkt im Laden! Eine andere Dame malt in ihrem Geschäft neben dem Katzenhof (da saßen ganz viele kleine Katzen dahinter und 2 davor) Holzfische zu bunten Sardinen an, als Kühlschrankmagnet genau richtig für mich ;) Die üblichen Souvenirs gibt es auch, Bogengänge voller Modeschmuck am auffälligsten.
Venezianisch bis in die Kirchturmspitze
Oben angekommen, stehen wir vor der Kirche der heiligen Euphemia und dem venezianischen Campanile als Kirchturm. Von hier hat man einen wunderbaren Blick auf die glitzernde Adria und bei richtigem Wetter sieht man das tatsächliche Venedig auf der anderen Seite. Aber wer braucht das schon? Den Kirchberg wieder nach unten laufend zeigt meine Freundin noch auf zwei Bars mit Meeranschluss, „das ist abends ganz toll auf den Terrassen,[die teilweise nur Felsvorsprünge sind,] Cocktails zu schlürfen“.
„Da vorne gibt es herrliches Eis“ zerrt sie mich in die nächste Gasse. Mit einer Kugel Zitroneneis im Anschlag schnuppern wir noch durch istrische Olivenöle über den Wochenmarkt und sind: schon wieder vor ihrer Wohnung angekommen! Wir verabreden uns noch für den Abend in der Mulini-Bar. „Aide, cioa“, Küsschen links, Küsschen rechts und dann macht jede für sich erst einmal Siesta. Auf dem Weg zurück zur Marina seh ich sie dann doch: die Fontana, ein kleiner Brunnen, halb verpackt in Baustellenschutt. Hätte ich im Leben nicht finden können! :D
Noch einmal… Rundgang
Am späten Nachmittag bin ich noch einmal mit einer Stadtführerin unterwegs, die mich auf ein paar kleine Cafes aufmerksam macht. Da ist direkt an der Marina, mehr oder weniger neben der alten Zigarettenfabrik, ein Cafe, in dem Porträts der Zigaretten-Dreherinnen hängen. Geheimtipps konnte mir Michaela allerdings nicht verraten – das ist in einem kleinen Touristenort wie Rovinj auch unmöglich. Man hat in zwei Stunden jeden Winkel gesehen. Trotzdem: Obwohl ich alle Gassen schon kannte, kamen sie mir ganz anders vor. Ich hätte mich vermutlich ohne Michaela auch wieder verlaufen. Was noch bleibt: In eines der Cafes an der Marina setzen und den Booten beim Schaukeln zusehen. Oder selbst in eines steigen. Die hiesigen Boote, Batana, haben sogar ein eigenes Museum. Organisierte Ausfahrten mit den traditionellen Fischerbooten werden in der Saison angeboten – deftiges Abendessen und Wein inklusive, hat man mir empfohlen. Mach ich das nächste Mal und Freundin Zeljka muss mit :D
Ich reiste auf Einladung von Visit Croatia. Herzlichen Dank dafür!
Stichworte: Istrien, rovinj, Stadt, städtereise, stadtführung