Reisetipp: Zur Semana Santa nach Sevilla
Mit Pauken und Trompeten in einem sehr düsteren Tenor marschiert die Menschenmasse auf uns zu. Aus der Masse ragen zwei Dinge hervor: Spitze, schwarze Kegel und Christus am Kreuz. Das Heiligenbild thront auf einem hochgetragenen Wagen, dem Paso. An den Ecken des Pasos sind schwarze Kerzen angebracht. Die Nazarenos, Männer in den schwarzen Kutten mit den kegelförmigen Hauben über dem Gesicht, gehen langsam und bedächtig vor und hinter dem Wagen her.
Die Tradition der Semana Santa ist über Andalusiens Grenzen hinaus ein aufwendig gefeiertes Fest in allen spanischsprachigen Ländern der Welt, aber in Sevilla ist die Heilige Woche eine echte Touristenattraktion. Obwohl ich nicht mehr der Kirche angehöre und mich als Agnostiker bezeichne, finde ich dieses Schauspiel von jeher spannend und wollte es unbedingt einmal live erleben.
Passionsweg durch Stadtteil Triana
Macarena, unsere Ferienwohnungsvermieterin sagt, sie habe es über die Jahre so oft gesehen und sich die Füße dabei platt gelaufen (eine Prozession kann bis zu 10 Stunden dauern), sie geht längst nicht mehr hin. Aber viele Einheimische täten es und die Touristen sowieso. Wir haben ihre Wohnung in der Calle Pelay Correa im Stadtteil Triana bekommen. In selbiger Straße steht eine von zwei Kathedralen, an der jeder Passionszug während der Karwoche Halt macht. So auch heute Nacht, obwohl es noch gar nicht Palmsonntag ist.
Sie sind nur die Vorboten, die gerade an der Iglesia de Santa Ana (Trianas Kathedrale) an den Stühlen und Tischen der Tavernen und Bodegas vorüber marschieren und in die nächste enge Gasse abbiegen. Gelegentlich stoppt der Tross, Menschen strömen herbei und fotografieren die Christusfigur, die Büßer und die Kapelle. Weihrauch liegt in der Luft, mindestens so schwer wie die Musik. Um uns herum ist man jedoch nicht traurig, eher aufgeregt, neugierig und natürlich wird gedrängelt.
Sevilla bereitet sich auf wichtigste Woche des Jahres vor
In der Altstadt auf der anderen Seite des Guadalquivir haben wir bereits die Vorbereitungen für die Semana Santa gesehen. Klappstühle stapeln sich auf den Fußwegen rund um die Kathedrale, die Balkone entlang des Passionsweges sind mit roten Tüchern abgehangen und an jeder zweiten Ecke verkauft man Räucherwerk. Die Heilige Woche ist eines der wichtigsten Ereignisse in Andalusien und der Hauptstadt Sevilla.
Eröffnung der Semana Santa am Plaza de España
Am nächsten Tag stolpern wir genauso zufällig über und in die Prozession wie in der Nacht zuvor. Als wir gerade auf der Plaza de España die Keramik-Balustraden bewundern und vom Säulengang aus über den Platz schauen wie Padme und Anakin in Star Wars (bei Klick gibt’s Video), da ertönt eine schwer tragende Musik. Ich bin nicht sicher, ob wir jetzt doch auf Naboo gelandet sind und die Filmmusik mal eben die Stimmung dramatisieren soll. Doch dann sehe ich am anderen Ende des Platzes etwas Goldenes aufblitzen und jede Menge weiße Kegel über die Menschenmenge herausragen. Nein, keine Filmmusik! Das ist die Prozession der La Paz-Bruderschaft, die traditionellerweise die Semana Santa eröffnet.
Büßerkapuzen
Sie ziehen als erste aus ihrer Stammkirche aus und kommen u.a. an der Plaza vorüber, marschieren durch den Parque María Luisa, wo die Sevillanos in ihrer Sonntagsrobe bereits auf den Passionszug warten. Volksfeststimmung! Die Kids tragen Körbchen, denn die Nazarenos, die Büßer in den weißen Kutten und Kapuzen geben Süßigkeiten aus. Ja, sie muten an wie der Ku-Klux-Klan, wenn man von diesem seit dem Mittelalter stattfindenden Umzügen nichts weiß. Grundsätzlich trägt man die Capirote, da der Bußakt anonym gehalten wird. Im Mittelalter waren es tatsächlich Narrenkappen, die Verurteilten aufgesetzt wurden, wenn man sie durch die Straßen führte um sie bloßzustellen. Später setzen sich die Büßer als Selbst-Anprangerung die spitzen Kappen auf, wenn sie auf die Passionszüge gingen. Schließlich schützten sie ihre Gesichter mit der Verschleierung.
Ich finde sie daher weder gruselig, noch assoziiere ich schreckliche Gräueltaten damit. Vermutlich weil ich schon vor Jahren von der Semana Santa gelesen und Bilder von bunt gekleideten Büßern gesehen hatte. Die La Paz-Bruderschaft ist nun mal in Weiß unterwegs. Der Klan verfolgt mit seiner Kapuze eine andere Philosophie und versteht ja grundsätzlich alles falsch herum… also, bitte, keine Angst vorm Kapuzenmann! ;)
Zehn Stunden Passionsweg
Wir versuchen, dem Tross zu folgen und zu unserem Glück stoppt die Prozession auch gerade. Der Pasos, der Wagen mit einer in Holz geschnitzten Szene der Kreuzung Christi, wird von Männern (Costaleros) getragen wie sich herausstellt, denn als er hält, lüften sich die Tücher, die unterhalb der prunkvollen Verzierungen herunterhängen und Männerhände greifen nach Wasserbechern. Als der Zug weiterzieht, setzt die Musik wieder ein, die Kapelle folgt dem Paso. Trompeter und Pauker ziehen vorüber, vor allem Letztere wummern in beängstigendem Marschtakt Szenen aus Bibelverfilmungen in meinen Kopf.
Es folgen die Büßer mit den Holzkreuzen (jeder nur eins ;) ), die übrigens abgeknickte Kapuzen tragen. Die Menschenmenge strömt ihnen nach, Richtung Altstadt-Kathedrale. Sie werden marschieren bis heute Abend. Auf der Tafel in der Straßenmitte blinkt gerade die Temperaturanzeige auf: 32 Grad. Im Mittelalter geißelten sich die Büßer während solcher Umzüge, heute tun sie sich epische Prozessionen an.
Ich finde dieses Spektakel auch ohne Gottgläubigkeit sehr spannend. Wer in der Karwoche nach Andalusien fährt, wird kaum um diese Passionsfeste herumkommen, allein in Sevilla gibt es 50 Bruderschaften, die jeweils eine Prozession veranstalten. Auch in Südamerika wird die Semana Santa farbenprächtig und fromm gefeiert. Der größte Trubel ist natürlich am Karfreitag und am Ostersonntag. Mein Tipp daher: Zu Beginn der Karwoche vorbeikommen.
Programm der Semana Santa Sevilla: >> http://www.semana-santa.org/lla/
Hinweis: Die Ferienwohnung in Sevilla wurde mir von Only-Apartements gestellt. Vielen dank dafür!
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