Reisetipp: Mit dem Zarengold-Express von Peking nach Sibirien
Man entschleunigt mit einem Ruck. Dann rollt der chinesische Sonderzug geschmeidig aus dem flughafenmäßig gesicherten Bahnhof von Peking und rauscht durch die Nacht. Noch schnell ein Bier im Speisewagen und dann geht es in eine der 4 Kojen des Abteils. Luxus ist das hier nicht. Der Sonderzug wird von der chinesischen Bahngesellschaft gestellt, und dient auch außerhalb dieser Sonderfahrten für einen deutschen Veranstalter, als Nacht-Express zwischen Peking und all den vielen Millionenstädten Chinas. Ich habe feststellen müssen, dass man wirklich prima schläft im Zug, vor allem wenn man tags zuvor im schwülen, stickigen Peking durch die gesamte Verbotene Stadt geflitzt ist.
Das stetige „Klicke-di-klack“ der Räder wiegt also in den Schlaf und man wacht erst wieder auf, wenn der Zug steht. Das tut er nicht oft auf der 16 stündigen Strecke nach Erlian an der Grenze zur Mongolei. Der Traum von der Transsibirischen Eisenbahn beginnt tatsächlich unter der Dunstglocke von Peking. Die Route von Moskau nach Peking ist eine von zwei legendären Langstrecken für eiserne Rösser, zudem die landschaftlich und kulturell abwechslungsreichere. Bekannter ist natürlich die 9288-km-Rekordstrecke von Moskau nach Wladiwostok.
Was man so vielleicht noch nicht über die Transsib wussteEs gibt NICHT den einen Zug „Transsibirische Eisenbahn“.
Es gibt lediglich die Trasse, eine durchgängige, Russland der Länge nach durchschneidende Schienenstrecke, auf der diverse Linien- und auch Güterzüge verkehren.
Der Zarengold-Express ist ein rein touristisches Produkt
und existiert seit 2001. Hierbei handelt es sich um einen zusammengestellten Zug (bei mongolischen, chinesischen und russischen Bahngesellschaften angemietet), der auf dem Transsib-Schienennetz verkehrt und die Nebenstrecke nach Peking/durch die Mongolei bedient. Dieser Zug ist für die Dauer von 16 Tagen das rollende Hotel seiner 200 touristischen Passagiere. Zwischen den Zugfahrten sind Stopps und Ausflüge eingeplant, ganz nach dem Prinzip einer Gruppenreise. Der Zarengold, betrieben von Lernidee, verkehrt von Mai bis September zwischen Moskau und Peking (oder umgekehrt), hin und wieder bietet Lernidee aber auch andere Transsib-Strecken (und Reisezeiten) an.
Der nostalgisch eingerichtete Zarengold
nutzt teilweise Wagons, die auch schon zu Zeiten des kalten Krieges von sowjetischen Funktionären auf der Transsibstrecke benutzt wurden.
21 Wagons (davon 4 Speisewagen)
reihen sich in unterschiedlichem Einrichtungsstil, Komfort und Preis aneinander. Ob 2er-, 4er-Kabine oder Einzelabteil – der Zug ist ein rollender Schlafwagen und kein Luxushotel.
Zum Komfort der günstigen Kategorien gehört ein gemeinsamer Duschraum
an dem man sich täglich für seine 15-Minuten-Duschvergnügen eintragen kann. Die höheren Kategorien teilen sich entweder eine Dusche zwischen jeweils zwei Abteilen oder haben sogar eine eigene pro Abteil. Wehe aber, wenn man sich in Wagon 14 zum Duschen eingetragen hat und letztlich in der Dusche von Wagen 13 steht! Frau (Name geändert) Hosenheu öffnete mir ganz verdutzt die Duschtür mit den Worten „Isch wardde hier auf mein Mann!“, als eigentlich mein erster Duschtermin war. Natürlich war die alte Dame im falschen Wagon gelandet und hatte nun aber auch schon die Haare nass… Ihr Mann tauchte dennoch nicht auf und ich habe sie dann doch hinaus bitten müssen – in guter deutscher „Aber hier steht mein Name auf der Liste“-Manier.
Leberwurstbrote werden nicht an Bord verkauft oder angeboten
Die Reisenden versorgen sich auch kaum mit selbst geschmierten Schnittchen, die Verköstigung morgens, mittags, abends ist schließlich reichlich und im Preis inbegriffen ;) Bewirtet wird nach russischer Art. Das fängt beim Krimsekt zum Start an und hört bei Mutters guter Hackroulade und Lachshäppchen auf. Deftige Kost geht nur mit einem Wodka runter. Ludmila hat mit ihrem schwungvollen Wodka-Eingießen echtes Ess-Entertainment geboten, auch wenn jeder Wodka auf eine Getränkekarte geht und am Ende der Reise exklusiv zu zahlen ist. Bei 1 € pro Shot ist das aber auch noch im verträglichen Rahmen.
Die vorlesenden großen Schwestern
wurden durch einen Chef-Reiseleiter ersetzt. Er liest einmal täglich etwas Wissenswertes (in Deutsch und Denglisch) über Bordfunk vor. Ich verdanke unserem Wolfgang die Erkenntnis, dass es im Baikalsee Krebschen gibt, die eine organische Substanz komplett zerlegen können. Für eine menschliche Leiche benötigen die nur 7 Tage. Der perfekte Mord darf also in Sibirien geplant werden – ist die Frage, ob man eine Leiche in diesen Landstrichen überhaupt verschwinden lassen muss. Wer würde schon in Sibirien suchen?!
Die Mitreisenden
darf man durchaus als alt bezeichnen. Die haben das Leben schon gesehen und die Welt auch. Viele der Herrschaften sind Deutsche, aber auch Australier, Amerikaner, Briten, Indonesier und Franzosen waren an Bord. Die meisten erfüllen sich den Lebenstraum, auf der längsten Bahnstrecke der Welt zu reisen oder auch endlich mal lange im Zug schlafen zu können. Russland und der russischen Kultur sind sie durchaus zugetan. Man möchte sich dennoch verjüngen, sagte mir Lernidee-Günder Hans Engberding. Also, ihr reichen jungen Säcke, ab aufs Gleis!
Die Reiseleiter sind meist einwandfrei Deutsch sprechende Russen
, der größte Teil der Strecke führt ja auch durch Russland und in den 16 Tagen Zugfahrt geht es des Öfteren raus aus dem Zug und rein in die Kirchen und Museen. An den einzelnen Ausflugsstationen gibt es zudem gesonderte Reisebegleiter, die die Gegenden und ihre Geschichten bestens kennen. Außerdem sind die Reiseleiter auch die Russischlehrer auf der Reise. Täglich wird eine kleine Lektion in Sachen Kyrillisch lesen, schreiben und Russisch verstehen gegeben. Man sollte ja wenigstens dem Zugpersonal Danke und Auf Wiedersehen in seiner Landessprache sagen können.
Unfreiwillig lange Aufenthalte
gibt es an den Ländergrenzen. Passgeblätter und Wagon-Inspektionen halten bis zu 5 Stunden den Verkehr auf. Jedoch wird man als Passagier weder durchsucht, noch muss man irgendetwas fürchten. Nur fotografieren ist untersagt, aber das kennen wir ja. Bei der Überfahrt Mongolei-Russland habe ich morgens um 7 meinen Pass abgegeben, mich schlafen gelegt und gegen 11 den Pass wiederbekommen.
Von insgesamt 10 Tagen Reise verbrachte ich letztlich nur fünf im Zug. Eine ganze Stunde lang stand ich als Kühlerfigur (ich weiß jetzt, warum die Figur so genannt wird!) auf der Lok und konnte dem Baikalsee und -klima recht nahe sein… Den schönsten Stopp legten wir in der Mongolei ein. In nur zwei Tagen wurde uns die ganze Landeskultur präsentiert. Zum Naadam-Fest schafft es der Zug nicht immer, aber auch sonst erhalten die Zugpassagiere Einblicke in Pferderennen, Bogenschießen und Ringen. Werde mich darüber noch gesondert auslassen. Außerdem kann man im Vorfeld der Reise von Peking aus einen Mauer-Ausflug machen. Ich hörte jemanden davon berichten, wie unerwartet anstrengend das war :D
Fazit: Lernidee bietet eine hochpreisige Vollpension-Zugreise auf einer legendären Strecke, inklusive Flügen zu den Zügen, Ausflügen und Hotels (falls mal nicht im Zug übernachtet wird). Der Traum vom bahnbrechenden Superlativ durch endlose Taiga und mehrere recht fremde, kaum bekannte Kulturräume ist jedoch ein hoher Anreiz. Ich persönlich will durchaus noch irgendwann die volle, originale Strecke fahren – bis zum Pazifik! Was die Preise angeht: Wenn man sich mal die Mühe macht und deutsche Bahnpreise für eine solche Strecke berechnen lässt, Peking- und Moskau-Flüge addiert, wird sich kaum ein günstigerer Preis finden. Zumal Lernidee der einzige Anbieter dieser Reise ist. Insofern: Geld sparen und ab die Fahrt!
Vielen Dank an Lernidee für die Unterstützung dieser Recherchereise