Von grünen Haken und blauen Gletschern
Es klingt ein bisschen wie in einer Zahnarztpraxis. Mit einem sehr feinen Bohrer, der klitzekleine Tönchen in mein Trommelfell surrt, bearbeitet Ray Rima Kingi seinen Patienten: einen ca. 3cm großen grünen Stein. Die ersten schwungvollen Rundungen hat der platte Grüne schon bekommen. Gerade fräst Ray noch ein paar Rillen zur Spiralform. „Das sind noch die Grobarbeiten.“ Der Maorimann sagt wenig, er sitzt in einer Art Show-Werkstatt des größten Greenstone-Verkaufsladens des Ortes Hokitika und schnitzt traditionelle Spiralen und Haken in grüne, weiße und schwarze Jade und jadeähnliche Steine.
Beim Jadeschnitzer in Hokitika
Lieblingsformen hat er nicht, schreibt Ray vom Stamm der Ngati Apa, Te Ati Hau a Paparangi und dem Unterstamm der Ngati Poutama Nui a Awa selbst in seinem Mitarbeiter-Porträt an der Wand. Darin steht auch, dass er eigentlich von der Nordinsel stammt und auch Kohlezeichnen und Holzschnitzkunst betreibt. Seit 1975 ist er an der Westküste der Südinsel und schnitzt grüne, halbedle Steine – ein beliebtes Mitbringsel von den grünen Inseln für viele Touristen.
Typisches Souvenir aus Hokitika
Ich kenne die Anhänger in diversen Hakenformen und Farmsprossspiralen noch von meiner ersten Reise – allerdings war ich da auf Sparreise. Dieses Mal lasse ich das mit dem Fallschirmspringen halt aus und kaufe einen grünen Stein für den Hals. 17 solcher Schmuckstücke schneidet, fräst, schleift und poliert Ray an einem Tag. Fünf Hauptformen werden hier in der Greenstone Factory als traditionell promotet. Außerdem gibt es ein paar nette Ausstellungsstücke zu begucken.
Die Geschichte von Pounamu
Wie immer, wenn es um Maori-Tradition geht, gibt es eine Legende zu erzählen. Wo jede natürliche Einheit eine göttliche Entsprechung hat, muss auch der grüne Stein – Pounamu – eine Geschichte über das Wie, Wann und Warum besitzen. Lange Geschichte kurz: Überwesen Poutini verliebt sich in vergebene Frau auf der Nordinsel und entführt sie quer über die Inseln bis an die Westküste der Südinsel, an den Milford Sound. Der erboste Ehemann folgt auf dem Fuße. In der Falle sitzend beschließt Poutini die Frau zu versteinern und im Milford Sound zu lassen. Er entkommt darauf in den Ozean, wo er bis heute an der Küste auf und abschwimmt. Die Dame im Flussbett liegend ist Pounamu geworden, das auch der Ehemann nicht mehr zurückverwandeln konnte.
Die Geschichte erklärt zwei Dinge. Zum Einen, das Vorkommen von Greenstone auf einer Achse quer durch die Inseln von Nordost nach Südwest. Zum Anderen, den Maori-Namen der Südinsel Te Tai o Poutini, was so viel bedeutet wie „Küste des Poutini“. Mein grüner Jadehaken symbolisiert übrigens Stabilität und Gesundheit. Wenn er eines davon herbeischwört, wäre es auch nicht schlimm ;) Jedenfalls ein grünes Mitbringsel von den Inseln der 1000 Grüntöne – für mich perfekt!
Von Hokitika nach Franz Josef
Von dieser Küste und der Jade-Stadt Hokitika (ein Schmuckgeschäft am anderen!) wenden wir uns nach dem kleinen Schaufensterbummel und Einkauf etwas landeinwärts. Die Route nach Hokitika war schon sehr ansehnlich, Richtung Franz Josef kommt Roadtripping-Feeling auf. Vor uns die Alpen, links und rechts verwunschene Buchenwälder und Gänseblümchen am Wegesrand. Wilde Flussbäche dann und wann, die fast ausschließlich über Einbahnbrücken zu queren sind.
Bei den Gletschern und Kiwis von Franz Josef
Bis wir schließlich in Franz ankommen – bei den Kiwis. Ja, bei den Vögeln. Im dortigen Wildlife Center können wir durch eine Dunkelkammer laufen und nach ca. 5 Minuten dann auch etwas durchs Unterholz der Voliere rascheln hören und sehen. Vier solcher Federbälle sollen hier wohnen. Wir hören die Geräusche eines Nachtwaldes vom Band – genau wie die braunen Kiwis, die im Boden nach Würmern stochern. Die Dunkelkammer ist nicht sehr groß, in 15 Minuten sind wir durch. Die zwei riesige Kiwifiguren vor dem Center sahen viel versprechender aus. Auch die Gletscherabteilung des kleinen Centers bietet nicht die spektakuläre Erfahrung. Aber zwischen den Plastik-Gletscherwänden Fun-Fotos machen, geht immer.
Kleine Wanderung in Franz Josefs Gletscher-Flussbett
Das gesamte Dorf ist überschaubar, rein touristisch scheint seine Existenz. Vom Hostel zum Franz Josef Gletscher sind es nur ein paar Minuten mit dem Auto. Der letzte Parkplatz vorm Gletscher liegt direkt am Gletscherbett. Ein paar Minuten geht es durch den Busch, dann eröffnet sich das offene Feld: grauer Schotter unten, grau-grüne Wände begrenzen das seitliche Sichtfeld. Vor uns erhebt sich der Berghang, um dessen Spitze sich die Wolken wie Zuckerwatte wickeln. Hin und wieder heben sich Blautöne von den Wolken ab: Gletscher und Himmel liegen da oben versteckt. Wir wandern gemütlichen Weges 45 Minuten vor uns hin, bis es wirklich nicht mehr Fußweg ist.
Der Gletscher streckt uns seine mit zackigen, dreckigen Furchen besetzte Zunge entgegen. Alles klar: ab hier ist für uns Flachlandtiroler eindeutig Ende. Nur mit Haken und Spikes an den Füßen und vor allem einen Führer ginge es irgendwo noch weiter. Wir schauen die Eisfelder hinauf bis zum Himmel – da landen die Helikopter und spucken Touris aus, die mal eben ein „ich war auf dem Gletscher“-Foto schießen und wieder weggeschwebt werden. Wir wandern zurück zum Parkplatz mit dem eigenartigen Gefühl, endlich mal gewandert zu sein. Wir sind schließlich unsportlich! :D
Entsprechend gut lässt man es sich danach beim Abendessen im „The Landing“ gehen mit Pfeffersteak und einer Pizza mit Brie, Preiselbeeren und Hühnchen. Dazu ein Weinchen mit Eiswürfeln… morgen schauen wir uns den Fox Gletscher an!
Bitte dran bleiben, es geht bald weiter!
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