Wie die Briten die Maori betrogen und Neuseeländer wurden
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Wie die Briten die Maori betrogen und Neuseeländer wurden

Egal wie oft ich diese Vertragsbeschreibung von Waitangi durchlese, ich werde das Gefühl nicht los, die Briten haben die Maori behumpst. Und noch viel unverständlicher finde ich, wie die Mehrheit der heutigen Maori am Waitangi-Tag feiert und Spaß hat. An einem Tag, an dem vor 170 Jahren ein Vertreter der Krone und 39 Häuptlinge ein Papier unterschrieben, das die Vereinigten Stämme Neuseelands zu einer Kolonie Ihrer Majestät machte. Glückwunsch zum Kolonialgeburtstag.

Neuseeland Waitangi Treaty Ground

Vertrag von Waitangi

Auf dem Waitangi Treaty Ground, also dem Ort der Unterzeichnung dieses Vertrags hier in Pahia erklärt Touristenführer Ngati Kawa vom Iwi (Stamm) der Ngati, wie es zu all dem kam. Im Prinzip geht es darum, dass die Häuptlinge sich von immer mehr ansiedelnden Europäern überrumpelt und ihres Landes beraubt sahen. Also unterzeichneten sie einen Vertrag (in schlechter Übersetzung ins Maori) mit den Briten, der sie davor bewahren sollte. Die Übersetzung hat jedoch grundlegende Begriffe politischer Natur einfach nicht in eine Sprache und Kultur bringen können, die normalerweise solche Begriffe gar nicht kennt.

Vertrag von Waitangi

Ausschnitt aus dem Vertrag von Waitangi

Neuseeland-Karte als Poster >>

Also ein großes Übersetzungs-Missverständnis, das sich für die Häuptlinge vor allem so las, dass die Briten ihnen ihr Land zugestanden und vor weiteren Verkäufen und Annexionen an andere schützten und dem Volk der Maori volle Bürgerrechte der Krone geben würden. Klingt schön. Dass man jetzt zum Empire gehört und statt den dadurch ferngehaltenen Franzosen, Australiern und anderen Seefahrern nun die Briten ihre Leute zur Besiedlung unter die lange weiße Wolke senden würden, konnte ja keiner ahnen. Auch nicht, dass die relativ dünn besiedelte Südinsel mal eben als „erobert“ deklariert wurde und Maori-Land dann eben doch aufgeteilt wurde. Die Abhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen im Mutterland mal ganz Außen vor gelassen.

Vertragsstreitigkeiten bis heute

Noch viel schlimmer finde ich, dass der Vertrag in den Folgejahren selten oder gar nicht zum Tragen kam. Keine Rechtsprechung wollte ihn in diversen Fällen anerkennen. Seit den 1960er Jahren hat sich das gebessert, vor allem, weil einige Maori erfolgreich geklagt haben. Durch die zweisprachige Ausfertigung ist die Interpretation zu einer richtigen Spielwiese für Anwälte geworden. „Das Recht verdrehen“ gewinnt hier eine greifbare Dimension. Seit 1975 gibt es ein Tribunal, das sich um solche Landstreitigkeiten kümmert.

Am Tag darauf befrage ichMaori an der Pazifikküste , was sie vom Waitangi-Vertrag halten. Erst lachten sie auf. Dann ging der Daumen hoch und ein spitzbübisches: „Ganz toll. Wenn man ihn für sich verdrehen kann“ von Taroi bestätigte mein eigenes Bauchgefühl. Dennoch, man regt sich nicht über die Einverleibung ins britische Reich auf, sondern nur darüber, dass der Vertrag nicht beachtet wurde. Also, wollte man Teil der Krone werden? Vermutlich nicht, denn längst nicht alle Häuptlinge hatten den Vertrag unterzeichnet, es kam Jahre später sogar zu einem Krieg, weil die Pakeha (Europäer) auf Maori-Land siedelten. Aber wie kommt man aus so einer Nummer wieder raus?

Neuseeland Kriegskanu

Neuseeland ohne Krone?

Die (Maori) Jungs von Native ConnectioNZ sind der Meinung, eine Unabhängigkeit von der Krone wäre eine wirtschaftliche Unmöglichkeit. „Eventuell, wenn Australien mal eine Republik würde, dann könnte man mit denen Wirtschaftsbeziehungen aufbauen und wäre nicht auf das UK angewiesen“ erklärte mir William. Politik ist mir zu kompliziert. Ngati Kawa vermutlich auch, die Dinge sind sowieso nicht mehr abwendbar, dann wird der Waitangi Treaty Ground eben zur Touristenattraktion (auch fürs eigene Kiwi-Volk). Man darf hier ja auch neben der Historie in eine relativ unbekannte Kultur schauen. Und zum Beispiel ein Marae (dem Stamm vorbehaltenes Versammlungshaus) betreten ohne, dass vorher ein Powhiri (Begrüßungszeremonie) stattfand. Und man darf das 36 Meter lange Waka, das Kriegskanu, bestaunen und anfassen. Maori-Kultur in Reinform.

Marae von Waitangi

Marae von Waitangi

Maori-Kultur zum Anfassen

Das Marae ist wirklich toll. Zur Kultur der Maori gehören diese Häuser wie zu einem frommen Christen die Kirche, auch wenn die Häuser nicht wirklich Kirchen sind. Hier wird Geburt und Tod gefeiert, Feste gegeben und Schule abgehalten. Eigentlich gehört EIN Marae zu EINEM Stamm. Das auf dem Waitangi Treaty Ground gehört quasi zu allen Iwis Neuseelands und dient allen, die es sehen wollen als Anschauungsobjekt.

Ngati Kawa erklärt die Poupou im Marae

Ngati Kawa erklärt die Poupou im Marae

Das macht es nicht weniger heilig, denn wir müssen die Schuhe ausziehen vor dem Betreten. Ngati Kawa erklärt uns die Symbolik der Poupous (Schnitzereien). Fast jedes der Poupous streckt die Zunge heraus – kennt man von den Haka-Tänzen und unzähligen Fotos. Angeblich etwas, um den Feind zu erschrecken, evt. sogar um ihm zu signalisieren, was nach seiner sicheren Tötung mit ihm geschieht. Die Kannibalen-Gerüchte halten sich hartnäckig, nachgewiesen ist das nicht. Einige Stämme der beiden Inseln haben hier in den Schnitzereien ihre Repräsentation gefunden. Es sind also weder Tikis noch Dämonen, auch wenn die alle so schaurig gucken. Darüber hinaus eignet sich der Waitangi Treaty Ground ganz hervorragend für einen Spaziergang entlang der Bucht. Am 6. Februar steigt hier Neuseelands größte Geburtstagsparty.

Waitangi Marae Schnitzerei

Mehr Action an der Bay of Islands

Pahia, die zugehörige Stadt, ist ein typischer Küstenort an der Bay of Islands. Schmaler Strand, alle Straßen voller Souvenirgeschäfte oder Hotels, rund um den Hafen bieten die Veranstalter Bootsfahrten, Inselhopping, Angelausflüge, Delfinschwimmen und Parasailing an. Sollte nicht langweilig werden. Wir hatten einen überragenden Blick über die Bucht – ganz ohne Fallschirm.

Bay of Islands-Blick

Bay of Islands-Blick

Vom Wohnzimmer unseres kleinen Appartements im Allegra Hotel aus blickt man über die kleine Stadt, auf grüne Hügelchen im Wasser und quasselt gemütlich mit dem Schweizer Betreiber, der seit über 30 Jahren hier lebt. Wenn doch nur mehr Zeit wäre…

Kia ora und bis bald!
Claudi

Vielen Dank an das Allegra Hotel und Tourismus Neuseeland für die Unterstützung dieser Recherchereise
Many thanks to Allegra Hotel and Tourism New Zealand for supporting this research

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