Wer ist eigentlich Jack?
Eine Schande! Ich darf endlich die Färöer Inseln bereisen und habe nur 2 Tage Zeit dafür! Und dann noch die lange Anreise… Lohnt das überhaupt?
Meine übereifrige, fotohungrige Frage 30 Minuten nach der Landung „Können wir mal für ein Foto anhalten?“ wird gemeinschaftlich belächelt und abgewiegelt, aber irgendwann doch noch erhört – nur wenige Sekunden, bevor der rote Streif am Himmel von der blauen Stunde unter den Horizont geschoben wird. Im tiefen Blau stehen sie da: Risin og Kellingin (den Riesen und das Weib), zwei Felsnadeln, die vor den Klippen der Insel Streymoy dünn und dick aus dem Atlantik ragen. Sonnenuntergang über den versteinerten Sagengestalten wäre toll gewesen, er war aber auch aus der zweiten Reihe im Flieger ganz formidabel. In einen Moosmantel eingepackt und mit pluderigen Wolken bedeckt zeigten die Färöern uns Draufguckern, was sie zu bieten haben. Im feinsten rosa Abendlicht inszenierten sich die Klippenränder der Schafsinseln imposant und schroff… Ich mag sie jetzt schon!
Im Dunkeln tuckern wir auf einem Single Track übers Eiland Esturoy. Während der einstündigen Fahrt fällt immer wieder das Wort Jack, ich sitze jedoch auf der hintersten Hinterbank des Minibusses und bin nach halbtägiger Anreise zu erschöpft, um zu fragen, wer eigentlich Jack ist. Als wir aus dem Kleinbus klettern, begrüßt man uns am unaussprechlichen Hotel Gjáargarður – und schon wieder ist was mit Jack. Bei Abendessen noch einmal: Jack. Wer ist Jack?!
Als ich auf die Broschüre vor mir schaue, fallen die Schuppen von den müden Augen: Wir sind IN Jack. Und es schreibt sich Gjógv (man spricht es korrekt auch noch mit einem f am Ende). Prima, der Linguist in mir fällt in einen Lachanfall vom Stuhl, rein äußerlich tu ich so, als hätte ich die ganze Zeit gewusst, worum es geht.
Abendstille mit Sternenschau in Gjógv
Alles, was ich von Gjógv derzeit erkenne, ist eine grasbewachsene Hütte vor dem Hotel und die Andeutung eines Dörfchens im Laternenschein. Auf einer Wiese im Nirgendwo steht ein einsames Haus, in dem noch Lichter brennen, als ich um Mitternacht mit Stativ, Polarforscher-Unterwäsche (Durchschnittssommertemperaturen: 11 °C) unter der Montur aus Jeans, Fleece und Regenjacke auf die Straße trete und mein Stativ in Stellung bringe. Es ist totenstill im Ort.
Ich seh die Milchstraße – mit bloßem Auge. Sternschnuppen jagen sich. Der Himmel über Berlin – ist ein Sch…dreck gegen diesen Anblick! Die Färöer Inseln sind so dünn besiedelt (48.000 Menschen, die auf keinen Fall als Dänen bezeichnet werden möchten), dass sie kaum eine Lichtverschmutzung verursachen und Sternegucker selig machen können. Ein Nordlicht, das wäre es jetzt noch, aber ich muss mich selbst überreden, endlich schlafen zu gehen – morgen ist Programm!
Spaziergang durchs entlegene Dörfchen
Gjógv am Morgen haut mich um. Die Sonne knallt auf die Grasdächer und blendet mich schon durchs Fenster. Über dem Bergkamm gegenüber wallen die Wolken weiß und wuchtig wie die Federbettdecken unter denen ich schlief. Ich schreite das Dörfchen noch vor dem Frühstück ab, sage jedem bunten Häuschen persönlich „Góðan dag“ und bewundere die Vorgärten. Kaum ein Mensch begegnet mir, es ist immer noch so still, die Möwen sind die einzigen, die hier etwas sagen. Ein kleiner Bach murmelt durch den wörtlich übersetzt „Felsspalten“-Ort, mündet jedoch nicht in der namensgebenden Felsspalte.
Zur Grotte geht es einen kleinen Hang hinunter zu einem natürlichen Hafen, der so schmal ist, dass die Boote auf einer Rampe geparkt werden müssen. Das Wasser ist glasklar und leuchtet türkis in der Morgensonne, die sich ganz schön mühen muss, zwischen den Felswände bis hierher vorzudringen. Geht man oben auf der rechten Felskante entlang, landet man recht bald an der Küste und guckt aufs blaue Nordmeer und rüber nach Kalsoy. Mit Glück tauchen auch Delfine oder Wale auf. Ich schau eine ganze Weile aufs glitzernde Wasser. Erfolglos. Auch die Papageientaucher sind längst flügge und auf dem Atlantik draußen.
Was ich an Skandinavien generell so mag, sind die Holzhäuser. Auf den Färöern sind viele schwarz angemalt und mit roten Fensterrahmen abgesetzt. Am schönsten finde ich die traditionellen Grasdächer, die laut Guide Bergur wieder modern werden. Die passen hervorragend zur Schwarz-Rot-Kombi und sollen im Winter sehr warm halten. Viel mehr ist in Jack / Gjógv nicht zu besichtigen, muss man aber auch nicht, die Aussicht aufs Meer und die ziehenden Wolken reicht vollkommen. Das Dörfchen auf Esturoy liegt außerdem so abgelegen, dass man hier mehr als ungestört ausspannen könnte. Allein die Zeit, sie fehlt…
Ich reiste auf Einladung von Visit Faroe Islands.
Stichworte: esturoy, gjogv, insel, spaziergang