Wie ich vor Budapests Toren in Sissis Lieblingsschloss eine Puszta-Show erlebte
Szervusz cuszammen!
Ich erzähl euch jetzt, was ihr in den Sis(s)i-Filmen nicht so ganz erzählt bekommen habt! Im Grassalkovich Schloss, unweit von Budapest, in unscheinbaren Örtchen Gödöllö nämlich residierte die Kaiserin von Österreich-Ungarn exakt 2000 Tage (das nennt man Faktenrecherche!) in überwiegend brombeerfarbenen Seidentapeten und ließ sich auf so manchem Gemälde um einiges hübscher und jünger malen, als sie in Wirklichkeit war (davon gibt es nämlich Fotos und die lügen nicht so).
In ihren 50ern nur noch mit geschlossenem Mund… weil sie schwarze Zähne hatte! Nicht etwa vom vielen Tee, sondern vom Quecksilber, das man seinerzeit zur Behandlung von – Achtung – Syphilis verwendete. Damit nicht genug. Denn diese „für damalige Zeiten völlig gängige“ Krankheit holte sich Lizzy vom Franz (mit dem rollenden R), der eigentlich die große Liebe sein sollte. Und ihrer großen Liebe fand Frau Sissi eine Schauspielerin als Unterhalterin zur Seite stellen zu müssen, weil sie doch so oft nicht daheim in Wien oder wo auch immer sein konnte. Die Schauspielerin hat wohl recht gut unterhalten. Diverse andere Damen auch. Und was lernen wir daraus? Freie Ehe = kurzes Leben. Elisabeth wurde nur 61 Jahre alt, der holde Gatte über 80.
Durch die Zimmer der Kaiserresidenz werden täglich Unmengen von Tourigruppen geschleust. Ich bin ja weniger Fan von sowas. Man renoviert noch den Bierkeller, der gleich neben dem hauseigenen Minitheater schon zu Kaisers Zeiten für Erfrischung während der Vorstellungspausen sorgte. Von 130 Zimmern sind erst 26 restauriert. Kommunismus und Sozialismus haben dem Gemäuer mehr Schaden zugefügt als zwei Weltkriege. Aber das wichtigste haben sie schon mal: das Schlosscafe mit Kaffee melange und Schlagobers plus ein Stückchen Sachertorte á la Sissi für nach der Besichtigung. Lecka!
Um das Thema Lizzy anzuschließen: Die Kaiserin soll eine leidenschaftliche Reiterin gewesen sein. Und damit zum Park Lázár, ebenfalls um Gödöllö, wo man für Schnelltripper und Wochenend-Urlauber mal eben die Puszta in die Nähe der Hauptstadt holt und ein paar typisch magyarische Pferdenutzungsarten vorführt. Normalerweise werden diese Shows in der offenen Weite der ungarischen Tiefebene in der endlosen Steppe der Puszta zur Touristenbelustigung abgehalten. Lázár holt das Spektakel in kleineren Rahmen vor die Tore Budapests. Was passiert? Jemand schaltet den Kassettenrecorder auf Brahms „Ungarische Volkslieder“ und schon traben die Fünfgespanne mit Kutsche rasant über den Acker.
Der Musik angepasst folgten ein Bogenschütze (klar, vom Pferd aus und die Zielscheibe getroffen), eine Sissi-Imitatorin (allerdings in Blond und um einiges hübscher), die dann schon zu Strauß‘ Donauwalzer das Pferdchen seitwärts dressierte, und schließlich ein viergpanniger Ochsenkarren, der in einem recht gemächlichen musikalischen tempus übers Feld zog. Mit dem Radetzkimarsch kommt der Eselbändiger und versucht dieselben Kunststückchen vorzuführen, die die Kollegen vorher mit ihren Edelrössern gebracht haben. Um uns herum (die Israelin war wieder mit) saß eine kanadische Teenager-Klasse, die die Eselshow durchaus zu würdigen wusste. Ich fand ihn drollig und traurig. Esel gucken immer treudoof und traurig, oder? Jedenfalls wollten wir danach kein Gulasch kochen, was eigentlich zum Programm gehört hätte. So überm Feuer und im großen Kessel. Aber unsere Tourleiterin Andrea hat abgeraten. Wäre kein gutes Gulasch und die Alternative um einiges besser…
Ich reiste auf Einladung von Ungarn-Tourimus
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