Gefunden! Mein Alterssitz im bunten Ataco in El Salvador
Irgendwann wandere ich aus! Ich kaufe mir ein kleines Häuschen mit viel Grün drum herum und werde eine schrullige alte Katzen-Dame. Das Dorf zum Häuschen hab ich heute gefunden! Es passt hervorragend zu meiner Gesinnung: alles bunt. Auch die Häuser. Sie malen in Ataco die Hausfassaden mit wunderschönen Motiven an – aus Spaß an der Freude und auch aus Politikverdrossenheit. Denn, wo schon ein Bild auf der Wand ist, darf keine Parteiwerbung angepinselt oder geklebt werden. In El Salvador hält man sich an sowas, in Berlin würden sie die Wand trotzdem zukleistern.
Traum vom eigenen Haus
Unser Häuschen in Ataco wird ein großes Eisentor haben, mit schmiedeeisernen Schnörkeln kennen sie sich hier aus. Natürlich müsste man das Tor wie alle im Ort mit entsprechendem Blech als Türblatt hinterlegen. Das muss grün werden, keine Frage. An der Bausubstanz müsste sicher etwas getan werden. Und dann die Fassade. Ich würde mir zutrauen, das allein hinzubekommen. Andere im Dorf lassen malen und bekommen von der Kommune sogar die Farbe gestellt – ich mach das selbst, klaro.
Ich denke an Motive aus Flora und Fauna. Die Katze, die ja dann bei uns hinter dem großen grünen Tor lebt, ist Motiv Nr. 1. Und dann dürfen da orange Kolibris, blaue Schmetterlinge und weiße Hibiskusblüten sein. Dschungel halt. Und noch einen Delfin, der in den rosa Himmel springt? Nagut, bleiben wir Ernst. Kein Delfin. Dafür noch ein Vulkan. Es ragen ja etliche in der Umgebung in den Himmel. Auch wenn ich bisher keinen davon gesehen habe, weil eine dicke Wolkendecke über El Salvador liegt.
El Salvadors Vorbild-Dorf Ataco
Gegen Ataco hat die Wolkendecke dennoch keine Chance. Die farbenfrohen Fassaden locken mich von einer Kopfsteinpflaster-Straße in die nächste. An jeder Kreuzung muss ich mich qualvoll entscheiden, in welche Gasse ich nun renne, um möglichst noch ganz viele der naiv gemalten Wandbilder abzulichten. Seit dem Ende des Bürgerkrieges ist das ein Hobby der Atacoer, und nicht nur derer. „Andere Orte kopieren das natürlich!“ sagt Guide Eduardo und guckt auf die Uhr.
Die Zeit drängt, nur 30 Minuten habe ich Zeit. Mein Favorit: la Posada de Don Oli mit seinen riesigen Fantasieblumen. Oder doch das Kaffeemädchen? Oder die Musiker? Hinter der Fassade spielt tatsächlich Musik. Hat also das Bildnis etwas mit der Gesinnung der Einwohner zu tun? Ich beschließe, mein Haus wäre durchaus gesinnungsmäßig korrekt mit Dschungeltier und Pflanzenreich bezeichnet. Dann ist sie rum, die schnelle Tour durchs kleine Ataco, Eduardo hat uns alle gefunden und wieder eingesammelt. Dabei sind wir doch extra in alle Richtungen geflitzt :D
Farbenfrohe Friedhofstour in Ataco
Es war zu wenig Zeit. Es ist immer zu wenig Zeit. Aber den Friedhof in der halben Stunde davor hätten wir auch nicht missen wollen. Eine weitere Farbsinfonie, die ich so nicht erwartet habe. Es war eine Überraschung von Eduardo, uns hierher zu führen. Kitsch as kitsch can. In diesem Meer aus geschmacklosen Plastikblumen, bunten Kreuzen, Kacheln und Grabsteinen wäre ich beinahe versunken. „Man darf sich die Farbe für seinen Grabstein oder Kreuz aussuchen“, aha. Die unhübschen Plastikblumen erklärt Eduardo „Man soll auf den Friedhöfen keine Frischblumen mit Wasser hinstellen, weil in den Wasservasen Mücken brüten würden.“ Angst vor Malaria, obwohl sie in El Salvador fast ausgerottet werden konnte. Aber gegen Dengue-Fieber gibt es noch nichts.
Buggy, Buggy zum Laguna Verde
„Wir müssen, wir müssen zum Boogie!“ ruft Eduardo. Wir grinsen vor uns hin, er hat es schon wieder gesagt. Wir fahren zum Buggy. Aber vielleicht gibt es da ja eine Discokugel in einem der beräderten Eisengestelle? Die Fassade der Buggy Tours in Ataco ist jedenfalls schon sehr knallig. Aber keine Kugel. Die Fahrzeuge sind sehr spartanisch – von eingerichtet kann keine Rede sein. Wir knattern mal eben durchs Dorf und gen Berg. Da säuft mein Buggy ab. Ich kann wirklich nichts dafür! Ein neuer wird sofort geordert, Kristin vom Tour-Anbieter begleitet uns auf einem Quad mit Walkie Talkie.
Es geht weiter, dem Boden näher als der Staub mit 35 kmh in die Serpentinen hoch. Wir rasen an Arbeitern vorbei, die den Straßengraben vertiefen. Hauptsächlich Frauen scheinen hier zu arbeiten. „Eine Art ABM“ sagt Eduardo, „damit sie nicht arbeitslos zu Hause herumsitzen müssen und etwas für die Gemeinde tun können.“ Es ist dennoch ein bisschen eigenartig, zwischen Steine schleppenden Frauen Slalom in einem offensichtlichen Touri-Spaß-Mobil zu fahren.
Oben angekommen: der Vulkansee Laguna Verde, beinahe einsam und leer. Nur zwei Jungen fischen mit der Leine. Aber auch hier, auf dem Vulkan, verdeckt der Himmel die Aussicht auf mehr. Ein kleiner Wald säumt das Seeufer. Sonne würde die grüne Farbe der Lagune sicher herauskitzeln, wir können es uns nur vorstellen. Und springen wieder in die Knatterautos und fahren zurück, es ist bereits 11 Uhr. Um 12 wartet der Tourismusminister in San Salvador auf uns. „In El Salvador ist alles eine Stunde voneinander entfernt.“ Hatte Eduardo am ersten Tag verkündet. Und das muss er jetzt unter Beweis stellen! Ich kann den Alterssitz in Ataco ja später noch erwerben, in zwei bis drei Stunden sollten wir zurück sein.
Diese Recherchereise wird unterstützt von Visit Centroamérica. Vielen Dank dafür!
Stichworte: ataco, dorf, fassade, friedhof, kunst, Stadt, wandmalerei