Wie ich tapfer durch die Cradle Mountains wanderte
Nicht erschrecken, ich bin den Overland Track nicht durchgejoggt und deshalb schon wieder am Zivilisationskabel! Tja nun, wo anfangen? Also zu erst einmal die Entwarnung: alle Anwesenden sind soweit gesund *hust*, abgesehen von meiner Erkältung Dank 26-stündigem Aufenthalt in klimatisierten Fliegern. Und dem geprellten Knie, das mich/uns zum Rückzug aus Tasmaniens Wildnis gezwungen hat, ist soweit aber auch nur blau und halbwegs einsatzfähig.
Ankommen in Tasmanien
Und nun von vorn: Von oben sah Tasmanien so toll und harmlos schön aus. Ganz ehrlich, der Landeanflug war einer der spektakulärsten, die ich je hatte! Über dem Hafen von Hobart hat der Pilot nochmal eine Schleife übers grünliche Wasser gezogen und ging kurz überm Strand so tief runter, dass ich kurz überlegen musste, ob er das wirklich so gewollt hat. Aber da war wirklich eine Landebahn, dahinter der Schwarzwald und die Sonne hat auch gestrahlt. So möchte man empfangen werden! Nachdem der Bus bis Launceston dann nochmal ein Weilchen brauchte, sind wir so gegen 17 Uhr ins Hostel gekrochen und hatten noch immer keine Einkäufe für den Track erledigt. Also blieb nur eins: Wandern um einen Tag verschieben, erst mal ausschlafen und in Ruhe vorbereiten. Gesagt, getan. Soweit ein guter Plan.
Vorbereitung auf den Overland Track
Am nächsten Tag haben wir uns das kleine Städtchen hier etwas genauer angesehen, Einkäufe erledigt und stundenlang unser Gepäck gepackt und gedrosselt und Gewicht verschoben… bis die 2 Packen Nudeln, 1x Reis, 2x Brot, 10 Minibrötchen, 12 Nutella-Täfelchen, 1 Glas Instant-Kaffee, eine Dose Milchpulver, 5 Packen Saucenpulver, Ketchup in Tüten, Limopulver, Aufgießnudeln und Tütensuppen so untergebracht waren, dass auch noch die Ersatzhose, T-Shirt und Handtuch irgendwie in die Kraxe gepasst haben. Den Rest haben wir dem Tasmananischen Touri Board zur Abholung hinterlassen, denn den Overland Track läuft man nur in eine Richtung, nicht im Kreis. Und am Ende des Weges wartet ein Guide auf uns.
Wie kommt man zum Cradle Mountain?
Kurz vor Feierabend fiel uns noch ein, mal nach dem Bus zum Cradle Mountain zu fragen, irgendwie muss man ja erst mal auf die Piste kommen. Tja, da wäre der Spaß eigentlich schon das erste Mal ins Wasser gefallen, denn Tassielink fährt irgendwie nur an den geraden Tagen in dieses Hinterland. Zum Glück wusste man Rat: Buch einfach einen Tagesausflug dorthin und zahl die Hälfte! Super! Haben wir unterwegs noch einen Vortrag über die paar Dörfer und Städte auf dem Weg dahin bekommen. Sheffield, zum Beispiel, ist eine riesige Freiluftgalerie. An jede Hauswand hat man Stadtszenen oder Tasmanien im Generellen verewigt. Sieht man nicht allzuoft, sowas.
Nagut, kommen wir zum eigentlichen Geschehen des Tages. Es ist der 23.4.08, gegen 11.20 Uhr. Wir kommen im Cradle Mountain Visitor Center an, sacken unsere Parkpässe ein, und bekommen gratis noch die Wettervorhersage: am Freitag kommt ein Kaltfront mit Regen und Schnee. Könnte ungemütlich werden! Danke, ich kauf noch ein Fleece-Stirnband (viel zu groß) und stürze mich in meine Regenhose. Dann werden alle Kraxen mit Regencapes überzogen, und der Weg zum Weg kurz gesucht. Man findet ein Schild, das „Overland Track 88,4 km 4-5 days >“ ausweist und runzelt kurz die Stirn ob der hohen Kilometerangabe und marschiert dann mal los. Ins Cradle Valley.
Nach 1,5 Stunden und 5 km auf und ab auf Holzstegen durch riesige Grasbüschel und Eukalyptuswald (wie immer der halbe Bestand verdorrt) kriech ich völlig alle auf einem Parkplatz an Land, an dem steht, dass hier alle 20 Minuten ein Shuttle vom Visitor Center einläuft, um die Leute zum eigentlichen OLT-Ausgangspunkt zu bringen. Die ersten 1,5 Stunden also für die Katz, oder auch gern zum einlaufen. Auf jeden Fall Zeitverlust, wie sich später auf fatale Weise herausstellen sollte! Na was soll’s, ab Ronny Creek (jener Parkplatz) geht es also auf den richtigen Weg.
Wandern und stolpern der Dunkelheit entgegen
Ein Wombat schnuppert kurz unter dem Holzsteg vor und dann marschieren wir langsam auf eine Hang zu. Wie das immer so beim Wandern ist: Der erste Berg den du siehst, ist nie die Spitze! Um eine lange Geschichte kurz zu machen: wir sind ziemlich steil bis zu einem See und einem Lookout raufgeklettert, durch Morast, über Felsen und Steine gesprungen (in meinem Fall gestolpert), um nach 3 weiteren Stunden den Fuß von Mount Ossa, zu einem Teil zumindest zu sehen. An dem sind wir dann eine Weile entlang gewandert, um uns Wolken und langsam wird es dunkel.
Wir müssten laut Gefühl noch 1 Stunde bis zur ersten Hütte laufen. Eigentlich geht es auch mehr bergab, als auf- Leider gibt es kaum noch sowas wie Weg und auf den Steinen stolpert es sich umso schöner. Gegen 17.30 Uhr wird es in Tassie dunkel, in den Bergen, und vor allem in den Wolken schon eher. Wir sind ja bis auf die Zähne gerüstet und daher zücken wir die Taschenlampen. Ich darf vorneweg, warum auch immer. Nach einem neuen Schild, das die nächste Hütte in 1 Stunde Entfernung weiß, sinkt der Mut dahin, dieses Kleinod der Wärme und Trockenheit noch im Hellen oder irgendwie zu erreichen. In der Dunkelheit verliert man noch mehr Zeit und mit jedem Schritt wird es unheimlicher, hier in Mordor.
Not-Campen auf dem Track
An der Stelle stolpere ich also über den berühmten spitzen Stein und hau die gute Regenhose kaputt, das Knie irgendwie auch. Ab jetzt nur noch Jammer und Schmerz und ob ich will oder nicht, Zeltplatz suchen. Rechts und links des Weges, der ungefähr 50 cm breit ist, stehen halbmeterhohes Heidekraut und Koniferenarten. Nichts, um drauf zu zelten. Es wird windig, die Wolken sorgen für Nässe. Wir finden eine breite Stelle auf dem Weg, hämmern stundenlang die Heringe in die Erde und zurren irgendwie das Zelt fest. Soweit gerettet und dann raus aus den komplett durchnässten Klamotten und rein in die einzig trockenen. In den Schlafsack und zittern bis zum Morgengrauen. Die vermeintlich wilden Tiere hat uns der Wind vorgegaukelt, mit bösem Gezerre und Geklapper an den Zeltwänden. Ich dürfte ungefähr 2 Stunden wirklich geschlafen haben, den Rest der Zeit war der Wind zu laut und die Angst, dass er uns die Plane überm Kopf wegreist einfach zu „ermunternd“.
Dramatische Nacht, doch der Tag kommt
Gegen 8 wurde es doch noch hell – ich hatte schon mit der Sonne und dem Leben abgeschlossen und überlegt, wie lange man hier wohl rumliegen muss, bis einen jemand findet und den Rettungshubschrauber holt. Sonne kam nicht, aber der Sturm hatte sich ein wenig gelegt, also raus und zusammenpacken. Die nassen Klamotten verstauen und mit den restlichen 1,5 Litern Wasser zurück nach Ronny Creek, denn mit dem Knie und vorhersehbarem Regenwetter, das zu Schnee werden wird, auf keinen Fall weiter! Frühstück gab es genauso wenig wie Abendessen. Demnach wieder 8 km zurück, über Stock und Stein mit vollem Gepäck und Essen für 5 Tage… ein bisschen lächerlich fühlt es sich schon an.
Rückweg im Dauerlauf
Nach 4,5 Stunden sind wir wieder im Tal, nehmen das Shuttle zum Visitor Center und erwischen sogar einen Bus nach Launceston zurück. Dort empfängt uns die Hostel-Managerin mit einem freudestrahlenden Gesicht und den Worten „Euer Gepäck wurde schon abgeholt“. Neue Klamotten ade, Waschmaschine juche!
Soviel zum Tagesausflug Overland Track. Wir waren allerdings nicht die einzigen, die umgedreht sind. Haben noch zwei Typen am Center getroffen, die auch umgedreht waren, wegen Schnee. Ich muss aber eins lobend erwähnen. Der liebe Sascha hat mich nicht gehetzt, mich mein Tempo laufen lassen, teilweise sogar meine Kraxe abgenommen und ein paar hundert Meter weiter getragen, hat mir bei schwierigen steilen Stellen geholfen und sogar noch seinen halben Schlafsack für mich geopfert! Niemand hätte besser auf mich aufpassen können. Danke, schluchz.
Was das Bergtrauma angeht, weiß ich jetzt definitiv, dass ich für die Berge nicht gemacht bin. Ich bleib beim Wasser. Dumm ist nur, dass ab Montag das volle Tourguide-Programm kommt. Durch die Nationalparks dieser Insel. Keine Tagesmärsche mehr, aber wohl trotzdem wandern. Hoffen wir das Beste! Und Daumen drücken gegen die Erkältung, am 8.5. will ich tauchen gehen!
bis demnächst also,
Claudi, der Rückkehrer