Sao Miguel, wo die Erde kocht
Sao Miguel ist die Insel, die ich quasi zweimal besuchen darf. Denn hier landete mein Flug aus Deutschland vor 6 Tagen und von Ponta Delgada geht es auch wieder zurück.
Auf Sao Miguel geht es vor allem um Feuer, Dampf und Vulkane. Die Azoren sind erkennbare Vulkaninseln. Überall findet man Krater (mit und ohne Wasser drin), schwarze Strände (wenn auch sehr wenige) und schwarzer Stein an allen Häusern. Es hat einen gewissen Comic-Effekt, wie der schwarze Lavastein die Fenster der sonst kalkweißen Fassaden einrahmt.
Vulkane machen Hortensien blau
Wegen der Hortensien wollte ich immer schon mal auf die Azoren. Stundenlang fahre ich mit einem Reiseführer über Soa Miguel, besehe begrünte Vulkankegel und –kegelchen, japanische Sicheltannen und die Nationalblume im welkenden Zustand. Hortensien wachsen tatsächlich an allen Ecken, Hecken und Vorgärten. Manche Blüten leuchten noch im gewünschten Blau, der September ist ihr letzter Blütemonat. Das im Vulkangestein enthaltene Eisen ist für die blaue Farbe der sonst eher weißen Hortensien zuständig. Es sieht ganz wunderbar aus. Der blaue Atlantik, der so oft ins Blickfeld (am Vista do Rei zum Beispiel) rutscht, bringt sie richtig zum Leuchten.
>> Die Vulkane der Insel Faial: Caldeira und Capelinhos
Sao Miguels schönster Ausblick: Lagoa das Sete Cicades
Einen der schönsten Blicke auf Sao Miguel hatte ich durch die Hortensienblüten hindurch auf die Kraterseen Lagoa das Sete Cidades. Je nach Sonnenstand und Blickwinkel sieht man die beiden Teile ein- und desselben gefüllten Vulkankraters in unterschiedlicher Tönung: der eine strahlt grünlich, der andere bläulich. Die Legende sagt, es sind die Tränen aus den blauen und grünen Augen zweier Liebenden, was natürlich romantischer klingt als „je nach Stand… und es sind keine Algen dafür verantwortlich.“
Wo es auf Sao Miguel dampft: Tal der Furnas
Auf Sao Miguel sind sie Zeichen von erdinneren Aktivitäten vor allem im Tal von Furnas auch äußerlich erkennbar. Dort sorgen Fumarole für Entlüftung und Druckausgleich in der Erdkruste. In der Stadt Furnas dampft und stinkt es an allen Ecken nach Phosphor und Schwefel. Das Städtchen macht den Eindruck eines Kurortes. Es gibt tatsächlich auch einen Kurpark in Furnas, in dessen Garten ein Thermalbad mit warmem Wasser die Touristen zum Bade locken soll. Mich schreckte die ocker-bräunliche Farbe des Wassers und der Regen davon ab. Soll aber gesund sein!
Azoren-Eintopf – mit Vulkankraft gekocht
Dann doch lieber der Erde beim thermalen Ausdampfen zugucken. Busweise fährt man zu einem brodelnden Fleckchen Erde außerhalb des Städtchens und schaut zu wie Dutzende Töpfe aus dem Boden gebuddelt werden. In einem Restaurant des Ortes wird der Inhalt einige Fahrminuten später serviert. Es ist das Nationalgericht der Azoren, der Cozido à portuguesa. Sechs Stunden hatten verschiedene Fleischsorten, auch Blutwurst und Chorizo, Kartoffeln und Wurzelgemüse in der Erdwärme geschmort.
Essen aus dem Erdofen
Auf vielen Vulkaninseln der Welt hat man früher oder später Erdwärme zum Kochen genutzt. Auf Hawaii verbuddeln sie ganze Schweine fürs Luau, auf Neuseeland wirft man in den Fleisch-Gemüse-Eintopf Hangi gern noch Muscheln. Nein, Cozido riecht und schmeckt nicht nach Schwefel, die thermalen Dämpfe dringen nicht in den vergrabenen Topf ein. Es ist ein zarter Eintopf, Slow Food eben. Gewürze muss man sich nachträglich über die Portion geben, sonst schmeckt der Cozido zu fad.
Vorzeige-Likör aus Sao Miguel: Mulher do Capelo
Nach dem Essen einen Verdauungsschnaps? Man schwört hier auf den Maracuja-Likör, für den die Inseln wohl auch bekannt sind. Das Zeug ist so stark alkoholisch, dass man die Frucht gar nicht mehr schmeckt. Da war mir der süße Brombeerlikör auf Pico um einiges lieber, machen sie aber in der Fabrik von „Mulher do Capelo“ auch. Flaggschiff ist allerdings der Ananaslikör, den man in ideale Souvenir-Keramikfiguren abfüllt. Ja, auf den Azoren pflanzt man Ananas an! Verkostung und Verkauf gibt’s direkt im Werk in Ribeira Grande.
>> Kurzer Abstecher zur Weinernte auf Pico
Europas letzte Teeadresse: Chá Gorreana auf Sao Miguel
Wir machen das mit dem Verkosten ganz richtig rum. Denn nach dem Alkohol gibt es Tee! Östlich von Ribiera Grande findet man die letzten beiden Teeplantagen Europas. Auf der Plantage von Chá Gorreana darf ich den Produktionsweg beobachten und den Damen beim Sortieren der getrockneten Blätter zusehen. Am Ende der sehr archaisch wirkenden Produktionskette gibt es ein Tässchen vom frisch gebrühten Haustee, inklusive einen trüben Blick über die akkurat geschnittenen Teehecken vor der Tür.
Im Naturpool in Thermalwasser baden
Der Rest des Tages fällt in Regen und Nebel – so ist das auf Inseln halt. Ich wollte noch den Lagoa de Fogo (Feuersee) besichtigen, doch der steckt in den Nebelwolken. Auf halben Weg zurück nach Ribiera Grande kann ich immer den berühmtesten Wasserfall Sao Miguels bestaunen – unterm Regenschirm bzw. von Farnbäumen geschützt. Am Hang des Vulkankraters Caldeira Velha kann man für gewöhnlich in Naturbecken baden, weil das Wasser aus den Geothermalquellen von weiter oben kommt. Aber schon wieder müsste ich im Regen baden gehen und irgendwie fühlt sich das Wasser in dem kleinen Becken unterm Wasserfall nicht wirklich warm an.
Man sollte wohl auch auf den Azoren immer mehr Zeit einplanen als man meint zu benötigen. Nur für den Fall, dass die Wetterküche das falsche Gericht zubereitet. Nun wärme ich mich bereits an einem Tässchen Kaffee im Hotel in Ponta Delgada und warte auf den Abtransport zum Flughafen. Mal sehen, wann ich hier wieder zurückkomme, es gibt ja noch sechs andere Azoren-Inseln zu sehen!
Adeus, Claudi!
Ich reiste auf Einladung von Associação Turismo Açores. Vielen Dank dafür!
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