Interview mit einem Walfänger
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Whale Song

Interview mit einem Walfänger

In der alten Walfabrik von Sao Roque do Pico riecht es nach Holz und auch etwas ranzig. An den holzverkleideten Wänden hängen ganz wie in einem Museum ordentlich drapierte Fotografien. Erst beim genaueren Hinsehen werden die Motive deutlich: Sie illustrieren, wie 20 Meter lange Pottwale abgeflenst, abgespeckt, zersägt und bis auf die letzte Hautschuppe verarbeitet wurden.

Ehemalige Walfabrik in Soa Roque dient als Museum

Das Gros der Fotos ist in Schwarzweiß gehalten. Walschlachtungen gehören wohl zu den wenigen Motiven, die durch den Farbverlust an emotionaler Wirkung verlieren sollen. Tran- und Ölkessel, Dörrofen, Knochenmühlen, Seilwinden und sogar eins der Fangboote stehen zudem in Original und Farbe in der einstigen Fabrik, in die 1983 der letzte Wal Picos an Land gezerrt und verarbeitet wurde.

Interview mit dem ehemaligen Walfänger

Ritinha war 40 als die Azoren 1984 dem allgemeinen Walfang-Verbot zustimmten. Bis dahin ging der Harpunier zwischen April und Oktober gelegentlich vom Feld zur See und ruderte Meeresgetier nach, das ihn selbst um das Zehnfache überragen und seinem sechs Mann starken Ruderboot immerhin noch das Doppelte an Länge entgegenwerfen konnte. Er schämt sich nicht für seinen früheren Nebenjob, „es war einfach eine Art des Geldverdienens“, nuschelt der sonnengegerbte Mann. „Es war ein minimales Zubrot“, reich konnte er davon nicht werden, sagt Ritinha, den sie in Lajes nur Rita nennen.

Ehem. Walfänger Ritinha

Ehem. Walfänger Ritinha

Warum jagten die Azoreaner Pottwale?

Er weiß so einiges über Pottwale. Warum gerade sie gejagt wurden? „Weil sie komplett zu verarbeiten waren. Und weil sie als einzige Walart nach der Tötung oben schwimmen!“ Die 10 Meter langen einfachen Holzboote würden von einem 100-Tonnen-Kadaver leicht in die Tiefe gerissen werden. Im Gegensatz zu den Amerikanern verfügten die Azoreaner nie über eine Fangflotte, die bereits auf einem Schiff den Wal verarbeiten. „Das fetthaltige Walrat des Pottwals ermöglicht ihm im Leben kilometertief zu tauchen und im Tode an der Oberfläche zu treiben“, erklärt der ehemalige Harpunier. Gegessen wurde das Walfleisch auf den Azoren übrigens nie. „Viel zu fett“, befindet Rita.

Walmuseum von Lajes do Pico

Heute ist Rita Restaurantbesitzer und eine Empfehlung unter Fischessern am Hafen von Lajes do Pico. Nur ein paar hundert Meter entfernt steht das Walmuseum der kleinen Stadt. Auch dies ist eine ehemalige Walfabrik, in der verbogene Harpunen neben den Meter langen Kiefern eines Pottwals stehen. Für die Hartgesottenen, die sich das Schauspiel einer Waljagd anhand der Geräte und Fotos nicht so richtig vorstellen können, aber möchten, hat das Museum im Untergeschoss einen kleinen Kinosaal eingerichtet, in dem ganze Reisegruppen einen Dokumentarfilm von 1969 schauen können.

Hier wird die Jagd der Azoreaner auf den Pottwal filmisch begleitet von Barbierstuhl und Acker, auf dem die Fänger eigentlich arbeiteten bis hin zur Sichtung des Wals und dem Ausruf des Visiers, der das Alltagsleben in einen turbulenten, aber routinierten Tagesablauf stürzte. Vom stundenlangen Warten auf den Wal, dem wiederholten Harpunieren und Abtauchen der Kreatur, und der gelegentlichen Gegenwehr gibt der Film nur Momente wieder, der Eindruck ist dennoch nachhaltig.

Als Walfänger zu Walbeobachtern wurden

Kurz nach dem Fangverbot etablierten die Azoren Walbeobachtungstouren für Touristen. Die ehemaligen Walfänger und Ausgucker boten sich als Fachleute an. „Viele sind nicht geblieben, Wissenschaftler ersetzten ihre Erfahrungswerte“, erzählt der alte Mann mit ernster Mine, er selbst hatte es als Tourguide versucht. Doch wenn er heute auf dem Meer ist, dann fischt Rita für sein Restaurant. Einen Wal zu sehen, ist nichts Besonderes mehr, damit hat er abgeschlossen.

Auf der Straße der Wale

Noch einmal kurven wir über die hortensiengesäumten Straßen Picos auf der Straße der Wale entlang. Alte Bootshäuser mit ebenso alten Walfang-Booten empfangen uns in verschlafenen Küstendörfern mit offen Türen. Darin sitzen die alten Herren (ebenfalls ehemalige Walfänger) und spielen in der schattigen Halle Domino. Die Boote sind gut in Schuss, heutzutage rudert man einfach so um die Wette – ohne einen Wal in Aussicht.

Privates Pottwal-Museum von Sao Roao

In Sao Roao do Pico kehren wir im Privatmuseum eines englischer Pottwalforschers Malcom Clarkes ein. In seinem Walmuseum geht es weniger um den Fang, sondern den Pottwal als Säugetier. Dort lernte ich an einem anschaulichen Wandbild z.B., dass Pottwale die einzigen Wale sind, die nach dem Tod noch oben schwimmen. Spermacite heißt das Fettzeug, das sie an der Oberfläche hält und entsprechend wertvoll machte. Selbiges Zeug ist auch für die rekordverdächtigen Tauchtiefen der Tiere verantwortlich. Neben allerlei Walgedöns, hängt im Museum auch noch der ein oder andere Riesenkalmar, den die Frau des Engländers im Maßstab 1:1 nachgenäht hat. Als Kuscheltiere gehen die nicht mehr durch! Kurios ist es allemal.

Damit „Saude“ und bis in zwei Tagen, wenn ich hoffentlich Moby Dick gesehen habe!
Claudi

Ich reiste auf Einladung von Associação Turismo Açores. Vielen Dank dafür!

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