Warum mir die graue Granit City Aberdeen doch recht bunt vorkam
Habe in einem Zimmer übernachtet, in dem mal keine Karos an der Wand oder auf den Vorhängen waren, dafür war der Teppich im Tartan! Im Restaurant hängen überdimensionale Fotos des Essens: Hochlandkühe in 4m x 2m. Unter solchen Behängen frühstückt es sich umso angenehmer, wenn man kein Vegetarier ist.
Und damit starten wir in einen letzten schnellen Vormittag in Aberdeen, auf dem mich Johanna geistreich durchs Städele chauffiert und führt.
Aberdeen – Granit City mit blumigen Status
Es geht über graue Straßen, vorbei an grauen Fassaden, von denen Johanna beharrlich behauptet, es seien silberne Fassaden, wenn es geregnet hat und die Sonne drüberpoliert. Man nennt Aberdeen daher die Granit City, weil eigentlich jedes Haus mit reichlich grauem Granit verklinkert ist. Das zweitgrößte Granitbauwerk Europas steht hier – wer sich von sowas beeindrucken lässt? Man gibt sich bei aller Gräulichkeit aber auch sehr viel Mühe, das Ganze etwas farbenfroher zu gestalten. Aberdeen hat bereits zehnmal den Wettbewerb der schönsten Blumenstadt Schottlands gewonnen. An jeder Ecke, vor jedem Haus und neben jedem Papierkorb hängt oder steht mindestens ein Topf Blumen. Es ist wirklich unfassbar schön, wie viele Blumenampeln im Stadtbild auftauchen.
Die fischige Wiege Aberdeens
Im kleinen Fischerdörfchen Footdeen (von den Einheimischen liebevoll Fittie genannt), das einmal der Kern der Stadt war bevor sich das heutige Granit- und Ölmonster darumbaute, treiben es die Anwohner zu einer echten Schrebergarten-Szenerie mit diesem Stadtschmuck. Zwischen den kleinen Steinhäusern haben sie sich bunte Gartenlauben zugelegt oder die Hausfront mit Blumentöpfen zugepflastert und wer es ganz extravagant mag, ist daran zu erkennen, dass er nicht nur Schneewittchen und die sieben Zwerge in Miniatur-Keramik dort einziehen ließ, sondern auch noch Erdmännchen, Schildkröten und Vögel jeder Art. Kitsch as kitsch can!
Begehrte Strandlage
Trotzdem oder gerade deshalb sind die Wohnungen in Fittie begehrte Immobilien und entsprechend teuer. Wer hier lebt, wohnt in direkter Strandlage und kann an der langen Promenade von Kino zu Café und Fressbude flanieren. Oder einfach nur zugucken, wie der Nebel von der Nordsee her auf den Strand und die Stadt zukriecht. Unheimlich sowas! Aber ansehnlich!
Geist im Theater
Und in Aberdeen City steht schon William Wallace unter der Wolkendecke, als wir am „His Majesty‘s“ ankommen und den dortigen Geist aufsuchen wollen. Warum auch immer das Wallace-Denkmal direkt auf das alte Theater zeigt, es sieht immerhin nicht aus wie Mel Gibson! Im Theater war leider niemand da, um uns auf den Balkon zu führen, wo angeblich Gespenst Jake seit den 1940er Jahren über die Flure geistert. Er macht im Prinzip dasselbe wie die Grüne Lady von Fyvie: Dinge verstellen. Aber sonst sei er recht umgänglich und nicht bös. Trotzdem traut sich die Kassiererin nicht dort hoch. Ich finde, da oben in Nordschottland kann man eine Menge sehen, nur Geister kamen mir nicht wirklich über den Weg. Trotzdem nett zu erfahren, wie sich dieses abergläubische Volk mit seinen Geistern arrangiert.
Fazit: Wenn das Wetter stimmt (und das tat es), ist das mit den gespenstischen Nebeln und alten Schlössern an rauer See und wildem Heide-Highland wirklich mystisch. Da will man förmlich an Geister glauben. Prädikat empfehlenswert!
Ich begebe mich nun wieder in die Hände von British Airways. Vermutlich verfliegt dann das „good ol‘ scottish feelin'“ wieder.
see you, Claudi
Diese Recherchereise wurde unterstützt von Visit Scotland. Herzlichen Dank dafür!
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