Wie ich vor Hawaiis Küste mit Mantarochen im Dunkeln tauchte
Am 2. Mai 2006 tauchte ich zum ersten Mal mit meinem gerade mal 5 Tage alten frischen Tauchschein. Normalerweise macht man sowas nicht als Tauchanfänger, aber es ergab sich die Gelegenheit, vor Hawaiis Big Island bei Nacht mit den riesigen Mantarochen tauchen zu gehen. Wer bin ich, dass ich so etwas ablehne?! Genau ;)
Achtung, ich präsentiere euch hier Screenshots von einem Video anno 2006. Die Qualität treibt einem die Tränen in die Augen, aber man kann mit etwas Fantasie erkennen, was es sein soll ;)
Um 17 Uhr packen wir die Tauchklamotten zusammen und lassen uns von Tante Annie zum halben Taxipreis mal wieder chauffieren. Um 18 Uhr sollen wir am Hafen von Honohokau bei Kona Captain Ron treffen bzw. sein Boot gefunden haben. Ich verstand nur „Corals Divers“ am Telefon als ich diesen Tauchgang angeleiert habe, aber so ein Boot finden wir nicht. Stattdessen meint jemanden auf einem anderen Boot, wir müssten auf die andere Hafenseite! Noch 15 Minuten…
Meet the stuff
Wir kommen rechtzeitig, Captain Ron und sein Stuff von „Coral Reef Divers“ stehen noch an Land. Mit von der Party sind eine spaßige Cecil aus NY und ihr Mann Toni, derzeit Kalifornier. Sie sind laut, sie sind lustig, sie sind beleibt – und wollen mit uns tauchen gehen?
„Ah, these are my vic… äh costumers?“ begrüßt uns eine Dame mit deutschem Akzent. Aha, wir sind also die Opfer von Dive Master(in) Martina aus Wuppertal. Wohnt hier schon eine Weile und macht Unterwasservideos und -fotos. Und heute muss sie uns durch die Dunkelheit führen.
Der grüne Flash
Ron schippert uns in den Sonnenuntergang und zeigt uns den grünen Flash – wenn die Sonne hinterm wässrigen Horizont verschwindet und plötzlich grün aussieht. Und ich dachte, der quatscht Seemannsgarn!
Es wird langsam dunkel über Hawaii. Wir haben 4 andere Boote getroffen und uns mit ihnen vertaut. Also ganz allein sind wir da unten nicht. „Haie mögen kein Licht und reisen auch selten mit Mantas“, versichern Ron und Martina. Es gibt noch ein kurzes Briefing. Es wird also Schnorchler und Taucher geben. Cecil und Toni bleiben demnach an der Wasseroberfläche. Dann hüpfen wir in die langen Wetsuits und packen ordentlich Gewicht in den Gürtel.
Eintauchen
Es geht los, schon ein bisschen gespenstisch, wenn man sich so umsieht. Der Himmel unterscheidet sich kaum noch vom schwarzen Wasser vor mir. Ich habe keine Angst, ich bin vom Himmel gesprungen, das war eine weitere Strecke als jetzt der eine Meter. Ein beherzter Sprung. Gut, Wasser ist nass wie immer, Temperatur geht auch. Mich ruhig zu nennen, wäre übertrieben, aber ruhiger bin ich schon. Wir bekommen jeder noch eine dicke Taschenlampe in die Hand und dann bringt uns Martina unter Wasser. Martinas Kameralicht wirft einen hellen Streifen durchs dunkle Wasser. Viele Seeigel seh ich, einen Kofferfisch, ganz andere Korallen als am Great Barrier Riff. Obwohl ich Probleme mit dem Sinken habe, kommen wir gut voran. Wir schwimmen im großen schwarzen Nichts bis wir kleine Lichtpunkte sehen. Wie im Weltraum hier.
Weltraum mit Mantas
Wir nähern uns dem hell beleuchteten Weltraumbahnhof, wo noch einige andere Astronauten mit ihren Lampen sitzen und nach oben starren. Dort leuchten sie hin, nach oben. Und dort leuchtet es zurück, die Schnorchler haben auch Lampen bekommen. Sie bauen eine Lichtsäule! Darin sammelt sich das Plankton und damit ist der Tisch für die Mantas gedeckt. Die essen wohl auch lieber im Hellen.
Ich habe Mühe, auf den Boden zu sinken. Gewichte in Australien werden wohl anderes bemessen als in den USA. Verdammt, ich trudel wie ein Fähnchen im Wind hin und her. Einmal hab ich meinem Buddy schon den Regulator aus dem Mund gefuchtelt (dafür wird es noch ne Standpauke geben). Ein Stein, ich soll mich festhalten bzw. den Wacker zwischen die Beine klemmen. Martina legt mir noch einen Stein auf die Flossen, mein Buddy zieht mich runter. Das ist die Aufregung und nicht das fehlende Gewicht, was mich immer wieder abheben lässt.
Da sitzen bzw. liegen wir also in 12 Metern Tiefe am Meeresboden. Was hinter uns im Dunkeln passiert, blenden wir aus. 45 Minuten lang ist unser Job, die Lampe aufrecht zu halten und die Mantas zu füttern, die nach und nach aus dem Dunkel eintrudeln.
Teufelsrochen im Anflug!
Mehr als 10 Mantas sind hier, Martina kann hinterher 9 von ihnen sogar namentlich benennen. Mit Spannweiten von bis zu vier Metern fliegen sie mit aufgerissenen Mäulern auf uns zu – kein Zahn zu sehen, dafür das halbe Skelett (eigentlich die Kiemen) das sich im dunklen Rachen weiß abhebt. Ihre Bäuche sind weiß, die Rücken schwarz, der peitschenartige Schwanz ist ebenfalls schwarz und im Dunkel des Wassers kaum zu erkennen. Die namensgebenden Teufelshörner haben sie auseinandergerollt zu langen Lappen, die das Plankton in den Rachen fächern. Wenn sie über unsere Köpfe hinwegschweben, flattern unsere Haare in ihrer Strömung mit. Sie berühren uns nicht, aber sie sind so dicht, dass man sie anfassen könnte. Das tun wir natürlich nicht, haben Martina und Ron verboten.
Die Vorstellung läuft und ich bin ganz in ihren Bann gezogen. Die Dunkelheit spielt keine Rolle mehr, die Haie – ah egal, dass ich zittere vor Kälte, ist auch egal, denn diese Fische tanzen ein wunderbares Ballett! Sie schwimmen oder fliegen oder schweben auf einander zu und kurz bevor sie sich treffen, drehen sie in einem Rückwärts-Looping nach hinten weg ins unbekannte Dunkel. Unterwasser-Zirkus in Schwarzweiß!
Langsam werde ich ruhiger mit meiner Boyancy, hocke nicht mehr auf den Knien und um den Stein, bevorzuge im Sand zu liegen und mich mit der Hand am Stein festzuhalten. Es rüttelt an meiner Luftflasche. Was will der Buddy schon wieder? Ich liege doch jetzt ruhig. Nein, es ist Martina, die in den Sand neben mich leuchtet. Eine Muräne! Die saß auf mir?
Riesenrochen voraus!
Da hab ich grad eine bequeme Liegeposition gefunden, da soll ich schon wieder auf die Knie. Martina will uns filmen. Also gucken wir wie die Häschen vor der Schlange in die Kamera und staunen, wenn die Teufelsrochen über unsere Köpfe segeln und mit dabei Wirbel im Wasser erzeugen, die mich schon wieder ins Schwanken bringen… es ist so toll und ich bin schlecht austariert, ein Elend. So schöne Tiere und so elegant. Sie drehen und drehen sich um sich selbst und schaufeln dabei das Plankton in sich rein, das wir kaum sehen. Dafür sehen wir Fischschwärme, die offensichtlich auch gern im Licht sonnen. Und sie schwärmen schön in Formation auseinander, wenn die Mantas angeflogen kommen. Gigantische, friedliche Fische. Diesen Tauchgang werde ich nie vergessen.
Und dann ist es auch schon vorbei, die Tiere wandern ab, vermutlich weil das Licht oben langsam ausgeht. Die Schnorchler dürfen zuerst wieder in die Boote. Wir tauchen auch recht schnell auf. Einmal noch mitten im Dunkel bei 5 Meter Tiefe stoppen und sich fragen, ob da nicht irgendwann etwas aus dem Dunkel geschossen kommt. Man sieht die Hand vor Augen nicht.
Meine Erlebnisse auf, in und vor Hawaii habe ich auf einer Inselkarte illustriert.
Schaut doch mal rein in Claudis kleinen Kartenladen ;)
An Bord werde ich zuerst ausgeschimpft für die schlechte Boyancy, jajaja… und dann schneidet Martina das Video und zeigt uns, wie die Muräne uns beinahe in den Hals gebissen hätte und die Mantas uns auf ihrem Flug beinahe weggeweht hätten. 70 Dollar kostet die 10-Minuten-DVD, 20 ein Foto. Wir nehmen das Video, klar. Im Nachhinein denke ich, ein Foto wäre besser gewesen.
In dieser Nacht schlafe ich im Pineapple Park eher unruhig, das Tauchen hat mich zwar müde gemacht, aber die Aufregung über das Fisch-Ballett dann doch wieder aufgekratzt. Aber das war’s wert!
Stichworte: Hawai'i, insel, manta, tauchen, Tiere