Wie ich von Trondheim durch die Hölle fuhr
Ich fuhr also zur Hölle. Und kam wieder raus :D Um 23.30 tuckerte der Zug in Trondheim los. Mit Jules Vernes im Gepäck fühlte ich mich gut gerüstet für die 9-stündige Fahrt nach Bodø. Der Sitz war zwar halbwegs bequem, aber er ließ sich nicht klappen. Um 0.30 Uhr sind wir durch Hell gerast. Es bedeutet natürlich nicht Hölle, das assoziieren ja nur dem Englischen mächtige Menschen. Im Altnordischen bezog sich die Bezeichnung wohl auf einen (Berg)überhang, im modernen Norwegisch soll es den finanziellen Überhang bedeuten ;) Wie zu erwarten passierte in Hell nichts, gesehen habe ich ebenfalls nichts. Die eigentliche Hölle begann danach. Ich musste im Sitzen schlafen – diese Sparerei muss aufhören, das geht zu sehr auf die Knochen!
Polarkreis-Überquerung per Zug
Gegen 6 Uhr wachte ich auf als der Zug kurz vor Mo I Rana in den Sonnenaufgang ratterte. Ich betrachtete die hügelige Landschaft auf der anderen Seite des Fensters: Viel Wald, hin und wieder prasselte ein Wasserfall direkt neben dem Zug in einen Abhang. Ich fühlte mich wie in einem Freilichtmuseum, überwuchert von rotem Moos. Die Bergspitzen leuchteten mit ihren Schneekäppchen herüber, was ist das schön hier.
Gegen 8 Uhr überquerten wir den Polarkreis. Das war’s also. Nordrekord! Einfach und unspektakulär. Am Arctic Highway hätte man mit Bus oder Auto an einem lustigen Stahlglobus gehalten und Fotos gemacht. Aber egal. Nun wurde es wieder fjordiger vorm Fenster. Ein bisschen wie Neuseeland, aber was Neuseeland fehlt, sind die kleinen bunten Sommerhäuser, wie sie auf den kleinen Inselchen in den Seen und Fjorden hier sitzen und sich ansehnlich im Wasser spiegeln.
Müde in Bodø
Um 9 Uhr hatte ich Bodø erreicht, um wieder einmal zu erfahren, dass das Hostel erst um 15 Uhr die Pforten öffnet. Ich trinke Kaffee im wirklich hübschen Hafen, in dem die Segelboote genauso müde treiben wie das Blut in meinen Adern. Zu früh. In einer Einkaufspassage werde ich munterer. Eine Konzertankündigung! Jaaa, Rock in Norwegen! In my dreams stammt aus der Feder der famosen wie unsinnigen Band Wig Wam – norwegischen Ursprungs und ihres Zeichens irgendwann mal beim Grand Prix Teilnehmer gewesen.
Diese Combo jedenfalls hat am 16.9. ein Konzert in Halsa Samfunnshus gegeben, plakativ beworben in eben dieser Einkaufspassage. Nicht nur in meinen Träumen wäre ich da zu gern hingegangen. Bis ich feststellen musste, dass Halsa kein Stadtteil von Bodø ist, man ungefähr 2,5 Stunden hinfahren müsste und die Busse dorthin nur einmal täglich verkehren – ohne Wiederkehr.
Gleich neben dem Mahlstrom
Überhaupt ist es ein gefährliches Unterfangen in der Nebensaison, die eigentlich eine Nicht-Saison ist, durch die letzten Käffer oberhalb des Polarkreises zu gondeln. Nachdem ich mich mit letzter Kraft ins Touribüro geschleift hatte, musste ich nämlich herauszufinden, dass ich eigentlich nur kurz neben dem größten Mahlstrom der Welt Halt gemacht habe. Cool! Da will ich hin. Nein, ist nicht, da fährt nur einmal täglich ein Bus hin. Und keiner kommt wieder.
Ich frag mich, was dort außer dem Saltstraumen noch so vor sich geht, denn der Mahlstrom und das Wigwam-Halsa liegen nah beieinander. Man machte es mir höllisch schwer, den Ort zu mögen. Also im Hafen noch mehr teuren Kaffee trinken und abwarten. Mittlerweile hab ich Buch Nummer 2 durch und bin auch schon bei Nummer 3 (Nick Hornbys „A long Way down“ – Danke, Nadine für den Tipp!).
Comedy-Abend in falscher Sprache
Nun, Bodø schien am Samstagabend mehr oder weniger tot. Da das Konzert ausfiel, befragte ich mal wieder den Reiseführer. Kafe Kafka wird empfohlen. Ich hasse Kafka! Aber viel anderes gibt es diesem Kaff ja nicht. Es ist ein kleiner Laden, schummerig, nicht ungemütlich. Dunkel ist es hier ja eh nach 18 Uhr, ein Kakao versöhnte mich dann auch mit dem Dichternamen.
Statt ins Konzert bin ich später dann ins Rock Café gegangen. Da stand Werbung für irgendwas mit Live dran. Ein Herr Ali wurde angekündigt… klang nicht rockig, war es auch nicht. Eher ein norwegischer Kaya Yanar! Stand-up-Comedy auf Norsk (sprich: norschk) Natürlich habe ich kein Wort verstanden. Habe heute außerdem gelernt: Norwegisch klingt nicht besonders schön.
Hurtigruten beleben Bodø
Bevor ich um 15 Uhr endlich auf die Lofoten schippere, schlag ich noch etwas Zeit im Hafen tot. Seit um 12 Uhr die MS Finnmarken festmachte, lebt diese Geisterstadt förmlich auf. Die Reisenden der Hurtigruten beim Landgang zu beobachten und zu kategorisieren, vertreibt ein bisschen Zeit. Der Durchschnitts-Hurtigrutenfahrer scheint über 60 Jahre alt zu sein, spricht Englisch und bekommt ein Schlauchboot unter den Hintern, um zum Mahlstrom zu jetten! Ich nehme es zähneknirschend zur Kenntnis, aber hätte das die Tante gestern nicht mal erwähnen können?! Ich seh schon, der Mahlstrom wird ohne meine Aufwartung weiter strudeln und trudeln. Naturphänomene werden eh überbewertet! Immer wenn ich sowas denke, fängt es an zu regnen… na super!
Später dann mehr von den Lofoten!
Hilsen, Claudi