Reisetipp: Südpol-Dinner in Hammerfest
9.30 Uhr an einem Ort, der 10 Wochen im Jahr keine Sonne sieht. Ich frühstücke mit Blick in die blaue Stunde. Der Mond mimt den Sonnenaufgang, nur dass er eigentlich gerade in knalligem Gelb untergeht. Als ich kurz nach 10 in der Touristeninfo bis an die Zähne eingekleidet und mit qualmenden Heizsohlen unter den ohnehin noch warmen Füßen eintrudle, grinst mir Reiseführerin Katja verschmitzt entgegen. „Dann lass uns mal in die richtigen Klamotten springen.“ Was?! Ich habe so viele Schichten an, das dauert hundert Jahre da wieder rauszukommen! Und schon steht sie vor mir, in einer Hand weiße Kittel, in der anderen zwei plüschige Tschapkas und die größten Wollfäustlinge der Welt.
Im weißen Tarnanzug auf Polarexpedition
Nagut, ich zieh den Kittel über die sowieso schon vielen Lagen und tausche die Cuzco-Mütze gegen die der norwegischen Armee, die Schneebrille auch noch drauf und die Fäustlinge… könnte ich über die Schuhe ziehen, trag sie aber so mit mir herum. „Normalerweise würden wir jetzt in den Bus mit den Hurtigruten-Ausflüglern steigen, und mit ihnen eine Stadtrundfahrt machen. Aber die Hurtigruten haben um diese Jahreszeit kaum Passagiere.“ sagt Katja. Also steigen wir zu zweit (ins Taxi und kurven) auf den Hausberg Salen.
Auf der Suche nach Framheim
Irgendwo in der weißen Pampa – Katja hat doch allen Ernstes Skistöcker und eine Fahne mitgenommen! – machen wir uns auf den Weg. Ich sehe eine Gamme, eine Birken-Torf-Hütte der Samen auf einem weiten Schneefeld stehen und einen langgezogenen Bau, der ähnlich gebaut zu sein scheint. Ist das unser Ziel? “Nein, wir müssen nach Framheim!“ ruft mir Katja zu, die bereits mit Flagge und Skistock den vereisten Weg entlangzieht. Framheim? Wir suchen also eine kleine Zeltstadt, in der die Crew der Fram in der Bucht der Wale im Ross-Schelfeis der Antarktis überwintert. Bin ich froh, dass ich in Oslo schon im Museum Erkundigungen eingeholt habe! Dann mal los!
Im Basislager der Südpol-Entdecker
Wir laufen und laufen. Wir stapfen und stapfen durch den Schnee… es kommt mir vor, als wären es zehntausende Kilometer. Und tatsächlich sehe ich es plötzlich vor mir: ein kleines Zelt mit zwölf Wänden mitten im weißen Nirgendwo. Alle anderen Zelte scheint der Schnee verschluckt zu haben. Der Wind pfeift unschuldig ein leises Lied.
Wir haben Anfang Januar, Amundsen und sein Team werden nicht vor dem 25. Januar zum Basislager zurückkehren. Ist denn überhaupt jemand Zuhause? Wir tasten uns langsam an das Zelt heran, stellen Flagge und Skistöcke ab. Wir können stolz behaupten, das Südpol-Basislager erreicht zu haben! Und jetzt aber mal ab in die gute Stube, hier draußen wird es kühl.
Zu Gast beim Koch der Fram
Ohja, es ist jemand Zuhause! Adolf Henrik Lindstrøm sitzt da in der Mitte des Zeltes, und köchelt an einem kleinen Ofen eine zeitgemäße Abwandlung seines berühmten Beef a la Lindstrøm! Wir nehmen auf den mit Rentierfellen belegten Bänken Platz und lassen uns Tee in die Blechtassen einschenken. Das Essen dauert noch etwas. Reiseführerin Katja ist ja öfter mit Südpolexpeditionen unterwegs und erklärt mir, was Amundsen gerade macht und warum er den Wettlauf gegen Scott gewinnen wird. Mit Fotografien an den Wänden haben sie es sich in Framheim gemütlich gemacht.
Eins davon ist natürlich von Roald im Eisbärenpelz, der hat sich bewährt genauso wie alle anderen Tipps, die ihm die Inuit auf Grönland gaben. Hundeschlitten statt Motorschlitten war so eine Idee. Eine andere: brotkrumenmäßig verschiedene Depots auf dem Weg zum Südpol anlegen, und diese mit Fisch zu umlegen, die die Hunde auf dem Rückweg erschnüffeln könnten.
Gesunde Kost gegen den Skorbut
Auch Lindstrøm hat ein Foto von sich an die Wand gepinnt. Als Koch war er bereits auf vielen Expeditionen und kennt sich aus mit polaren Gegebenheiten. Er sorgte für gute Ernährung und vor allem für zufriedene Stimmung – auf Seereisen manchmal mehr wert als die Ernährung. Gerade reißt er wieder so einen Witz a la „Trifft ein Pinguin einen Eisbären, sagt der Pinguin…“ Der Koch aus Hammerfest hat früh erkannt, dass die meisten Crews im Laufe ihrer Expeditionen Männer an den Skorbut verloren. Dagegen kocht der Mann an. Es sorgt für vitaminreiche Ernährung. Amundsen soll ja auch ein Fan von rohem Fleisch sein. Was sie im Framheim so essen, frage ich. „Fisch, Pinguine, Robben und natürlich einiges an mitgebrachtem gefrorenen Gemüse und Moltebeeren.“ sagt man mir. In unserem heutigen Mahl hat der Koch neben Fleisch auch rote Beete und Sellerie verarbeitet – das sei so gesund. Tatsächlich schmeckt es hervorragend, ein bisschen wie Köttbullar!
Amundsen vs. Scott
Als wir so gemütlich in der Runde sitzen, plaudert Katja noch ein bisschen aus dem Nähkasten der Fram-Expedition. Herr Amundsen plant zum Beispiel, beim Erreichen des Südpols dem Scott einen Brief da zu lassen. Den solle der dann seinem König bringen – schon ein bisschen gemein. Einen Fotografen haben sie auch dabei, der soll den Schnappschuss von der norwegischen Flagge am Südpol machen. Sie haben das scheinbar schon geübt, ein solches Foto hängt nämlich auch im Zelt. Ich drück ihm mal die Daumen, dass das alles klappt. Auf den britischen Gegen-Polläufer würde ich zumindest nicht wetten, wenn er nicht mal Schlittenhunde dabei hat. Lindstrøm jedenfalls fiebert der Rückkehr seiner Crew schon entgegen. Was wird er zur Feier des Tages wohl auftischen?
Wir machen uns jetzt mal wieder auf den Heimweg nach Hammerfest. Es wird schon wieder dunkelblau am Himmel. Diese kurzen Tage in der norwegischen Antarktis sind aber auch anstrengend! ;)
Weitere Infos
Dieser spaßige Ausflug zum Framheim, samt Umkleide und Stadtrundfahrt, dauert zwei Stunden und kann in Hammerfest an der Touristinfo bzw. von der Hurtigrute aus gebucht werden. Kosten: 86 Euro.
Meine Recherchereise wird unterstützt von Visit Norway. Vielen Dank dafür!
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