Ohne Telefon zu Herrn Bell und den Elchen der Breton Highlands
Ein gelber Faden zieht sich hier durch. Auf einem breiten grauen Band windet er sich durch die Weiten. Die grünen Wände außen herum sind niedriger und misch-grüner als erwartet. Dafür strahlt seit der einzigen Sturmnacht die Sonne am Firmament und erfreut uns mit blau schimmernden Seen und Ozeanausschnitten im großen Stil. Ohne Sonne wäre das nämlich ganz graue Suppe.
In die blaue Suppe schauen wir immer mal wieder von den Lookouts des Cabot Trails hier auf der Cape Breton Insel (dem nördlichen Zipfel von Nova Scotia). Da gibt es rötliche Klippen und Felsvorsprünge zu bestaunen und die eine oder andere Welle klatscht dagegen. Küste halt, kennt ihr. Wer Wanderbeine hat, kann sich auch durchs Gebüsch trollen, eventuell sieht er dann auch einen Elch. Vor denen warnte uns gestern eine Broschüre auf dem Ingonisher Campingplatz. Frei übersetzt und gekürzt: Wenn du einen Bären siehst, kann er dich angreifen, muss er aber nicht. Wenn du einen Elch siehst: Nimm die Beine in die Hand! Hätte nicht gedacht, dass ein Langbeiner so aggressiv ist.
Aber wir sehen keine Elche, nicht auf dem asphaltierten Trail, der sich um und über die Insel mit den Highlands schlängelt. Aufgrund des gestrigen Regens und heute angekündigten Schlechtwetters (was ausblieb), haben wir uns für den Weg östlich herum entschieden – zuerst nach Baddeck. In diesem kleinen Städtchen darf man bunte Holzhäuser beäugen und mal eben telefonieren – beim (quasi) Erfinder persönlich! Wir haben nämlich im schönen Breton Highland Nationalpark so unserer Schwierigkeiten mit dem Handynetz… Mister A. Graham Bell lebte (und starb) jedenfalls in Baddeck und erfand in diesem beschaulichen Teil der Welt nicht nur das Telefon zum fünften Mal neu und bediente sich dafür einiger Patente anderer Erfinder und Modelle, er kreierte auch ein Speedboot und ein Flugzeug.
Man sieht und erfährt in diesem Museum für seine 7,80 Dollar Eintritt so einiges aus dem Leben und Erfinden des Herrn Bell. Dass er eigentlich aus einer Logopäden-Familie stammte und selbst einer war zum Beispiel, wusste ich noch nicht. Außerdem gibt es einen sehr eindrucksvollen Zeitstrahl zu erlesen, auf dem Bells Erfindungen und Lebensstationen im Kontext des internationalen Erfindungswettlaufs seiner Zeit abgebildet sind. Nach dem Motto: Als Bell seine dritte Tochter zeugte, hatte Edison bereits die Glühbirne installiert… so in der Art ;)
Noch ein Fun Fact, dann ist auch wieder gut mit Physik: Die heutige Telefongesellschaft AT&T wurde 1877 von Alexander Graham Bell als die Bell Telephone Company gegründet.
Und damit verlassen wir das Bell Museum und winken dem Leuchtturm gegenüber nochmal zu, der gerade hinter einem Dreimaster verschwindet. Wir steuern nach Norden. Es soll hier den ein oder anderen schottischen Einschlag geben. Wir finden ihn nicht. Dachte ja, da hüpft mal einer im Kilt über die Straße. Aber Städte und Dörfer sind hier generell nicht so, wie ich sie mir vorstelle. Ortskerne, oder aneinandergereihte Häuschen gibt es nicht. Alle paar hundert Meter kommt mal ein Grundstück – mit viel Rasen davor und Rasenmähermann darauf – und dann war es das. Ortsein- und –ausgänge erkennt man an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Alles recht entzerrt. Ist ja Platz.
Ganz oben im Norden Cape Bretons biegt die Straße, auf der der Camper gerade noch hoch schnaufte, auf eine Einbahnstraße nach Cape North ab. Wir kullern den Berg hinunter zur Lawrence Bay und wundern uns über jede Menge Boote auf dem Trockenen. Dafür machen sie aber fototechnisch einiges her, Hummer wird hier erst im Herbst wieder gefangen.
An diesem wunderbaren Sonnentag haben sämtliche Biker der Provinz ihre Gefährte mit Gefährten besetzt. Man cruised, atlantische Aussichten mit kleinen weißen Punkten inklusive – leider immer nur Wellen und keine Wale. Den besten Blick auf die windende Straße durch die waldigen Küstenberge erhascht man an der Westküste auf dem Skyline Trail – man kann aber auch ganz einfach von der Straße mal Richtung Süden schauen.
Und ehe du dich’s versiehst, bist du raus aus dem Nationalpark der Highlands, hast weder Bären, noch Coyoten, Dudelsackspieler oder Elche gesehen. Dafür haben wir aber wieder Telefon-Empfang und sehen Cheticamp, das sich höhenmäßig wieder dem Meer annähert. Hier stehen die Häuser so lose, dass ich das Mr. Chicken erst einmal für ein wahllos in die Landschaft gesetztes Wohnhaus gehalten habe. Aber der Laden ist eine echte Empfehlung! Das leckerste Eis von Cape Breton gibt es da – Hühnerteile auch, aber die muss man nicht zwingend haben. Im kilometerlang gezogenen Örtchen gibt es sogar einen eigenen Restaurant-Leuchtturm, der größer ist als ein echter. Aber wir haben ja unsere lustige Camperküche und immer noch Fleischbällchen im Tiefkühler!
Achja, wir wissen mittlerweile, dass wir hinter dem Spiegel im „Bad“ einen kleinen Schrank haben und müssen das Shampoo nicht mehr in der Spüle aufbewahren. Auf 5 Quadratmetern täglich was Neues entdecken können, macht Camper doch happy ;)
Weitere Infos:
>> A.G. Bell Museum Baddeck : Eintritt = 7,80 Dollar
>> Cape Breton Highlands: Nationalparkgebühr = 7,80 Dollar/Tag
Diese Recherchereise wird zum Teil unterstützt von Condor, Canusa, Tourism Nova Scotia und Tourism PEI. Herzlichen Dank dafür!
Stichworte: cabot trail, camping, cape breton, highlands, Nova Scotia, wohnmobil