Warum man auf Schottlands Insel Lewis nicht Schachspielen kann
Atemnot, tränende Augen, von Rauchschwaden in Dunkelheit gestürzt – ich halte das keine Minute aus und flüchte durch das Schlupfloch in der Mauer, durch das ich auch in die Hütte gekommen war. Das ist also ein Blackhouse, ein typisches Bauerngehöft der Hebriden. Es heißt vermutlich so, weil das offene Torffeuer im Inneren sämtliche Räumlichkeit schwarz rußte.
Schwarze Häuser
Ein Kessel hing da über dem Feuer in der Mitte des lang gezogenen Steinhauses und qualmte in alle Richtungen, denn in der lustigen Strohhaube des Hauses gibt es keine Stelle, um den Rauch abziehen zu lassen. Man sieht kaum einen Meter weit. Die meist verkaufte Postkarte im Shop nebenan ist daher auch der Kessel überm quiemenden Feuer. Haus Nr. 42 in Arnol ist nicht berühmt, aber eine Antiquität. Traditionelle Blackhouses gibt es heute kaum noch auf den Hebriden – die meisten haben Museumswert und werden als solche präsentiert. Bis in die 1880er lebten die Schotten (auch Iren) mit ihren Viechern in solchen Häusern.
Die Blackhouses von Gearrannan
Zu spät habe ich erfahren, dass es eine ganze Blackhouse-Siedlung auf Lewis und Harris gibt, Jugendherberge inklusive. Wir sind heute definitiv die Könige der Straße! Kaum Gegenverkehr und Sonnenschein, was will man mehr?! Auf unserem Weg nach Harris machen wir einen kleinen Abstecher Richtung Westen und sehen uns zumindest das kleine Dörfchen an. Die reetgedeckten Häuser von Gearrannan liegen in einer kleinen Kuhle, haben eine Bucht mit türkisen Wasser vor den Haustüren und einen kleinen Berghang zur Linken, der sie vor den Atlantikstürmen halbwegs beschützt. Einige der Häuser sind Museum. Um das Haus mit dem großen Torfhaufen davor, machen wir mal lieber einen Bogen, darin wird sicher wieder ein Kessel überm Feuer hängen…
Aber in der alten Bauernküche des Museums hat man bereits einen Kamin errichtet und in den Hostel-Häusern schläft man wohl fast schon nach modernen Standards. Das nächste Mal mieten wir uns dort ein, hab ich beschlossen. Dieses Mal bleibt nur eine kurze Kraxelei auf den kleinen Hausberg und ein wunderschöner Blick über die Strohdächer zum Strand in der kleinen Bucht. Morgens aufwachen und das sehen – nächstes Mal!
Lewis Chessmen in Uig
Wir nehmen Kurs auf die Bucht von Uig, einem Zipfel der Westküste Lewis‘. Das Navi und auch sämtliche Schilder führen uns allerdings nach Ardroil zu einer Schule, mit Parkplatz und einer Betonbaracke, die sich als ein kleines Museum herausstellt. Am Eingang begrüßt uns – vollkommen lieblos an den Beton gelehnt – eine riesige hölzerne Schachfigur. So falsch können wir nicht sein, denn ich wollte die Lewis Chessmen sehen. Das echte 800 Jahre alte Figurenset weilt in Museen in London und Edinburgh. 78 aus Elfenbein geschnitzte Schachfiguren mit den Zügen wilder Nordmänner, kreiert von Nordmännern und hier 1831 gefunden.
Der hölzerne Mann vor uns ist der Berserker, er soll den Turm darstellen. Sein König soll am Strand stehen. Im Museum weist man uns den Weg, so gut es geht. Wieder Single Tracks, an Lochs vorbei, über Brücken, auf Dünen zu und dann: irgendwo im Nirgendwo steht der alte König einfach so in der Landschaft, direkt an der Straße. Seinen Rücken schützt eine begrünte Düne, dahinter erahnt man nur das Meer, er blickt auf Wiesen und Highland Cattle. Er ist überragend und erhaben, sieht man ihm sofort an. Das Wetter konnte der Eichenholzfigur kaum etwas anhaben.
Der König ist natürlich eine Kopie, eine übergroße, die nicht weit von der einstigen Fundstelle von den Insulanern aufgestellt wurden. Ein bisschen ist er auch ein Seitenhieb an die britische Regierung, die bis heute kein Museum am Fundort erbauen wollte und den Großteil des besterhaltenen mittelalterlichen Spielsets in London bunkert. Die echten Figuren sind 10 Zentimeter hoch, stehen in Vitrinen, schwer in einen Kontext zu stellen. Da lob ich mir solche Initiativen und gebe mich sogar lieber mit einer Holzkopie ab. Die kann man nämlich anfassen, ordentlich fotografieren oder auch ein Picknick neben ihr im Gras veranstalten. Aber wo ist seine Königin? Kein Springer in der Nähe, nicht mal ein paar Bauern. Schachspielen kann man hier jedenfalls nicht. Es gibt nur zwei Spielfiguren in und um Uig.
Wikinger in Schottland
Es waren höchstwahrscheinlich Wikinger, die mit dem Spiel als Handelsware unterwegs waren. Ob ihr Schiff hier verunglückt ist? Oder ob sie auf Lewis handeln wollten? Sie kamen öfter hier vorbei. Die Wikinger und das altnordische Sprachgut sind allgegenwärtig im Englischen und im Schottischen. Die Hebriden sind nicht nur gälische Überbleibsel, sie haben eine erkennbare nordische Vergangenheit. Der Name Uig ist übrigens nichts anderes als ein altnordisches Vik (dt. Bucht) – davon gibt es viele in ganz Nordeuropa. Wir brechen daher zu der Bucht auf, in der wir heute übernachten wollen, nach Finsbay auf Harris…
Meine Recherche wurde unterstützt von Caledonian MacBrayne und Sunnycars. Vielen Dank dafür.
Schaut doch mal in Claudis kleinem Kartenladen vorbei, dort gibt es Lewis & Harris als illustrierte Landkarte im Kunstdruck.