Wie ich im Slalom über die Hebrideninsel Lewis und Harris düste
Die Sonne strahlt über alle Backen, das pappigste Fish & Chips aller Zeiten ist verdaut und die dicke große Fähre von Caledonian MacBrayne liegt bereits im Hafen von Ullapool als wir das Auto einreihen. Wir haben ein Rundfahrt-Ticket für die Fährlinie, die uns auf die Insel Lewis und Harris bringen wird und in ein paar Tagen von dort weiter nach Skye. Die Hebriden-Inseln im Westen Schottlands sind zwar keine Geheimtipps mehr, aber immer gut für ruhige Tage im Seeklima.
Vom Freilichtkino auf dem Oberdeck schauen wir auf die blendend weißen Fassaden der Häuserreihe am Hafen als die „Isle of Lewis“ ablegt. Die Leinwand hat Überlänge und der Kinosaal überragt sie um ein Stockwerk. Der Film läuft eine ganze Weile bis das Schiff um die Ecke biegt und wir die Highlands nur noch in der Ferne erahnen können.
Eine Insel mit zwei Namen
Zweieinhalb Stunden später steuern wir in Begleitung von pinguinartigen Schwimmvögeln den Hafen von Stornoway an. Das Schloss der Stadt ragt höher über den Hafen hinaus als der alte Leuchtturm. Wir schauen uns ein bisschen um, knuffen die gelbe Fischer-Statue (die guckt, als wisse sie, was wir letzten Sommer getan haben) und bewundern die farbenfrohen Fassaden der kleinen Stadt, die sich als Inselhauptstadt von Lewis (und Harris) betrachtet.
Lewis und Harris sind eine Insel, nur an einer Stelle so schmal miteinander verbunden, dass sie sich namentlich spalten ließen. Mit Männernamen hat das alles nix zu tun, ich sag es lieber gleich, bevor hier noch einer kindische Lachanfälle bekommt, wenn ich später noch den Butt of Lewis erwähne ;) Auf Gälisch haben die Inselnamen eher Bedeutungen wie „sumpfig“, „lang“ und „höher (gelegen)“.
Wir tuckern den Nordteil der größten Insel Schottlands, also Lewis, in drei Tagen gemütlich ab. Tatsächlich gibt es zwar eine Küstenstraße, aber sie reicht nicht komplett einmal herum. Ganz im Norden fehlt der Anschluss! Umso schöner allerdings der Ausblick auf die Küste selbst, vor allem dort, wo die Straße aufhört. Strände haben die hier – wenn es nur nicht schon Herbst wäre in meinem Kopf.
Hebridische Heidschnucken
Hier kommen wir erstmals mit der schottischen Fauna in Berührung. Auf einem Single Track durchs baumlose und flache Inselinnere von Ost nach West sitzen die Schnucken gefährlich nah am und auf dem Straßenrand, reiben sich das dichte Fell an Erdüberhängen und kauen gemütlich die Heide weg. Die Heide, ja die Heide, sie blüht auch hier noch pink und rot. Lewis wird manchmal und nicht zu Unrecht auch Heide-Insel genannt. Hebridenschafe sollen eine besondere Geschmacksnote haben, weil sie so gern an den borstigen Büschen naschen. Dabei lassen sie sich auch gar nicht aus der Ruhe bringen. Autos sind ihnen so lange egal bis sie anhalten und die Menschen darin sich bewegen. Wir machen es trotzdem immer wieder. Anhalten, Fotos knipsen, bis die Huftiere genervt oder gelangweilt – so genau ist das nicht zu erkennen – aufstehen und wegtrotten.
Vor sehr vielen Jahren war ich schon einmal auf Lewis. Wenn ich mich daran erinnere, kommen mir drei Dinge in den Sinn. Erstens: Ich musste wandern und hatte wenig Spaß dabei. Zweitens: Es gab tolle Strände, an denen einer aus meiner Reisegruppe sogar (im November!) noch baden gehen musste, der Angeber! Ich hatte mehr Spaß damit, angeschwemmte Seesterne einzusammeln und sie auf der Rückbank des Autos auszulegen, damit sie trocknen. Und drittens: Die Steine von Callanish. Bis auf das leidige Wandern über hohe Berge und durch kalte Flüsse, haben wir uns ein ähnliches Programm auch dieses Mal vorgenommen.
Standing Stones von Callanish
Noch am ersten Tag steuern wir die stehenden Steine von Callanish an, die ich selbst irgendwo in einer Zeitung mal als Alternative zu Stonehenge angepriesen habe. Auf den Hebriden sind grundsätzlich weniger Besucher unterwegs, wer hier zum Steinkreis kommt, kann sich darauf verlassen, keine Busse voller Touristen anzutreffen, die sich über das kleine Areal verteilen. Nein, hier kann man sich über drei andere Fotografen aufregen, die stundenlang vor dem Motiv rumstehen, -kriechen und -liegen. Luxusprobleme!
Wir könnten bis Sonnenuntergang warten oder auch mitten in der Nacht wiederkommen – das Gelände ist allzeit zugänglich, kostet keinen Eintritt und verfügt nicht nur über einen 13-Steine umfassenden Kreis, sondern auch darin kreuzende Steinstraßen. Auf den alten Granitblöcken wachsen graugrüne Flechten und Moose und die Westsonne kitzelt glitzernde Sternchen aus ihren Glimmerbestandteilen. Wir spielen ein bisschen Verstecken hinter den großen Hinkelsteinen, angeblich tanzt der Mond hin und wieder mit den Steinen… Schließlich ziehen wir mit den Wolken weiter, aus der Steinzeit zurück nach Stornoway.
Ostküstenstraße Lewis
Der blendenden Sonne entfliehend nehmen wir am folgenden Tag die östliche Küstenstraße nach Norden. Heide und Moorlandschaft sind nicht nur zu sehen, sondern auch gut zu erschnuppern. Die Insulaner heizen auch heute noch mit Torf. Ein Duft, der mich immer an baked beans erinnert. Die Straße verläuft ab Tolsta einspurig und prompt stellt sich eine Ausflugsgruppe Schafe dekorativ auf die Straße. Hupen macht sie schneller, aber nicht unbedingt cleverer. Wir folgen dem Tross im Schritttempo bis die Tiere allmählich eine Reihe bilden und den Straßenrand anpeilen.
Wir düsen vorüber an heidegepolsterten Hügeln und goldgelben Stränden. Über die schmale Carry Bridge geht es noch, dann ist Schluss. Die Straße ist nunmehr ein Feldweg, auf dem ich keinen Mietwagen steuern möchte. Ein Radfahrer prescht an uns vorüber als ich versuche zwischen zwei Schlaglöchern zu wenden und zu parken.
Sandstrände vom Feinsten
Tolsta Beach liegt uns zu Füßen. Es herrscht Ebbe, also können wir zwischen den muschelüberwachsenen Findlingen und Felsnadeln herumlaufen, durch Höhlen bis zum Ozean laufen und die Schreie verrückter Frauen hören, die tatsächlich grad ins Meer gehüpft sind. Nein, mir reicht die frische Brise um die Nase und ein paar Sonnenstrahlen auf dem Gesicht. Von der Bridge aus führt ein Wanderweg zum andern Ende der Straße auf der Westseite. Wir nehmen lieber die Straße und vor allem das Auto und umrunden die Insel in südlicher bzw. westlicher Richtung.
Butt of Lewis
Der nördlichste Punkt von Lewis und den Äußeren Hebriden ist der Butt of Lewis. Am „Ende von Lewis“ hört mal wieder die Straße auf. Es ist eine windige Ecke und als solche eine Gefahr für Schiffe. Logischerweise findet man hier also einen Leuchtturm. Er ist nicht groß, aber ein beliebtes Fotomotiv. Wir kriechen hier eineinhalb Stunden an den Klippen entlang, wo im Sommer Papageientaucher brüten und die Tölpel kreisen. Von den rot beflechtenen Klippen blicken wir hinunter, wo die Wellen mit Getöse gegen die Felsen krachen und kleine Wasserstrudel das Farbspektrum des Atlantiks freilegen. Türkis kann nicht nur die Karibik! Die letzten pinken Grasnelken harren stur in den Felsnischen den stürmischen Winden. Mit Kopfschmerzen vom kalten Wind flüchten wir ins Auto.
Auf dem Rückweg kehren wir in der Old Barn Bar ein, nicht weit vom Butt entfernt, im Örtchen Cross. Am Torf-Kamin lassen wir uns eine unschottische Pizza schmecken (es gab kein Haggis!) und lauschen dem Akzent der einheimischen Männer beim Bierabend – am Ende der Straße und der westschottischen Inselwelt.
Meine Recherche wurde unterstützt von Caledonian MacBrayne und Sunnycars. Vielen Dank dafür.
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