Insel Chiloé – Voller Legenden und magischer Wesen
Eine kleine Geschichte, die uns unser Guide Pablo heute Morgen erzählte: Letztes Jahr besuchte er eine der 160 berühmten Holzkirchen von Chiloé. Und neugierig wie er ist, schielte Pablo am Altar unter die Tischdecke und entdeckte einen eingelassenen Stein auf dem Altar. Er sah auch, dass der Stein ein paar Einkerbungen hatte und fragte die Nonne, was es damit auf sich habe. Die Dame wurde sofort bleich und sagte ganz leise, er solle schnell wieder das Tuch über den Stein legen. Denn die Brujos, böse Zauberer, würden sonst kommen und noch mehr aus dem heiligen Stein kratzen, um ihre schwarze Magie zu betreiben.
Auf Chiloé mischen sich Glaube und Aberglaube, Mythologie und Märchen. Neben bösen Zauberern tummeln sich auch Götter, Hexen, Mischwesen und ein Geisterschiff auf der zweitgrößten Insel Chiles.
Mystische Wesen aus Holzwurzeln
Im Mythologiepark (Parque Ecologico y Mitologico de Chiloé) von Don Filiberto in Ancud kann man sie alle sehen, die Figuren aus Chiloès mythologischen Gruselkabinett hat der alte Herr sich aus Wurzelholz zusammengesucht, bemalt und in einem kleinen Wäldchen arrangiert.
Chiloés Mythen gehen auf den alten Indianerglauben der ansässigen Huilliche und den Aberglauben der spanischen Einwanderer zurück. Wie in anderen Kulturen sind die Götter und mythischen Wesen Erklärungsversuche für eigentlich ganz natürliche Vorgänge, deren wissenschaftliche Hintergründe man nicht kannte.
Götterschlangen erschaffen Chiloé
So wurde nach der Legende die Inselgruppe Chiloé durch den Kampf zwischen einer Wasserschlange und einer Erdschlange erschaffen. Ten Ten Vilu und Cai Cai Vilu gelten als die höchsten Götter in dieser Mythologie. Ihnen untersteht wie im griechischen Olymp ja auch der Gott des Meeres und seine Frau. Deren Kinder haben die Gestalt von Mensch-Meerestier-Mischwesen und sind die Vollstrecker der Meeresgewalten, sorgen für Gezeiten, Fischfang, bringen die Seelen Ertrunkener zum Geisterschiff.
Mischwesen im Liebesdienst
Im Mythologiepark wandeln wir unter Riesenrhababerblättern und über kleine Brücken durch die Welt der übernatürlichen Wesen. El Ruende sitzt da. Er ist ein Hund mit langer Schnauze und kurzen Beinen. Dreimal muss man nach ihm pfeifen, dann kommt er und spielt Amor. Er vermittelt vor allem die weniger hübschen Menschen und verhext diejenigen, die sich in sie verlieben sollen – mit dem Hundeblick natürlich.
Pechvogel
Versteckt im Gebüsch sehe ich ein Häuschen mit einem geierähnlichen schwarzen Vogel darauf. „Das ist el Chihued.“ erklärt Don Filiberto „eine Art Pechvogel, dessen Anwesenheit den Krankheit oder Tod im haus ankündigt.“ Der Mythos geht darauf zurück, dass Geier Aas riechen und sich entsprechend dort zum Fressen niederlassen.
Einhörner, Vampire und Basilisken
Ein Stück den Waldweg weiter runter steht ein silbernes Tier mit einem Horn. Ein Einhorn? El Camahueto soll es sein, eine Kuh mit nur einem Horn. Das Horn soll medizinische Kräfte haben. Eine geflügelte Schlange sitzt da neben dem Weg. Mit seinem Blick soll el Peuchen, dem Basilisken ähnlich seine Opfer paralysieren, um sie auszusaugen. Ja, auch Vampire kommen in dieser Gegend vor. Er kann sich in alle möglichen Tierformen verwandeln. Eine größere Schlange, die ebenfalls fliegen kann und ziemlich hungrig alles verschlingt, was sie findet, ist el Culebrón. Sie soll allerdings auch demjenigen Reichtum bringen, der ihr bereitwillig immer wieder Blut bringt. Don Filiberto meint, el Culebrón käme nur alle 20 Jahre nach Chiloé.
Hässliche Verführer: Trauco & Furia
Und dann ist da noch dieses zwielichtige Pärchen. Sie guckt aus dem Baumhaus, runzelig und hässlich wie sie tatsächlich aussehen soll. Die Furia! Sie ist eine Hexe, die mit dem schlechten Mundgeruch die Männer verführt und danach tötet. Ihr Mann, el Trauco ist ein kleiner hässlicher Mann, der am liebsten im Wald auf der Lauer liegt und Frauen verführt.
Der Mythos vom Trauco ist auch eine Art Erziehungsmaßnahme, denn Kinder werden bei den Huilliche davor gewarnt, allein in den Wald zu gehen. Auf Chiloé lebten unterschiedliche Stämme der Mapuche, die sich nicht immer friedlich gesinnt waren. Wurde eine Frau vergewaltigt, war es üblich die Vaterschaft el Trauco zuzuschreiben und nicht einem befeindeten Stammesmitglied.
Brujos, böse Zauberer und ihr Geisterschiff
Die Brujos sehen wir nicht, die schwarzen Magier sind immer gut getarnt. Sie fahren zum Beispiel auf dem Caleuche, dem Geisterschiff vor der Küste der Insel mit. El Caleuche ist dem fliegenden Holländer ähnlich. Wer das Schiff des nachts vom Meer herüberleuchten sieht oder die Gesänge der Geister an Bord hört, ist praktisch schon verloren. Die Brujos sollen sich in Höhlen treffen. Das Meerespferd Caballo marino trägt sie vom Caleuche dorthin, erzählt mir der Besitzer des Mythologieparks.
Die Zauberer klingen nach einer spanischen Erfindung, tatsächlich ist es aber nur die Bezeichnung. Die Spanier konnten sich den Schamanismus der hier lebenden Indios nicht erklären. Es musste Zauber sein. Bei den Mapuche waren schon vor Eintreffen der Spanier Heiler bekannt, die Flüche aussprachen und schwarze Magie betrieben, während die bis heute praktizierenden Machi eher auf der hellen Seite der Macht stehen.
Familienpark mit Himmel und Hölle
Seinen Park hat Don Filiberto zwar für Kinder angelegt, aber wer als Erwachsener das hiesige Inselvölkchen verstehen möchte, sollte mal einen Blick riskieren. Wer die Mythologie der Insel wirklich verstehen will, sollte viel Zeit mitbringen und mit Senor Filiberto auf einen Rundgang gehen. Ich fand es spannend! Er erklärt alles – Himmel, Hölle und die Dinosauriervorkommen in Südamerika noch dazu.
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Vielen Dank an Turismo Chile für die Unterstützung dieser Recherchereise
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