Wie ich auf Chiloé Kartoffeltorte verspeiste
Dass es immer nur regnet auf Chiloé, sei nur schlechtes Marketing, sagt unser Guide Pablo. Bisher hat er Recht behalten, denn auch an Tag zwei strahlt die Sonne. Über unserem Palafito zwar nicht, aber sowie wir Castro verlassen, wird das Wetter besser und die Landschaft idyllisch (wenn man an der stinkenden Fischfutterfabrik erst mal vorbei ist.)
Landkarte Chiloé kaufen >>Fischzucht auf der Kartoffelinsel
Wolken ziehen in Fischgrätenoptik über den blauen Himmel, an den Straßenrändern flammen rote Fuchsienhecken und leuchten die Montbretien orange. Auf den Weiden stehen sich die Kühe die Füße platt und im Meer filtern die Miesmuscheln in großen Farmen das ohnehin kristallklare Wasser. Es gibt ein kleines Problem mit dem Lachs, denn Zuchteier aus Norwegen haben den Bestand an einheimischen Fischen mit einem Virus infiziert. Nach Norwegen ist Chile der größte Lachslieferant weltweit.
Chiloé – Die Wiege der Kartoffel?
Zum Glück interessiert uns das Meeresgetier nicht so, statt dessen gehen wir heute den Ursprüngen der Kartoffel nach. Wir fahren nach Dalcahue, an der Ostküste und schauen uns auf dem Markt an, wie die Einheimischen aus allen Orten kommen und hier ihre Muscheln, Karotten, Elefantenknoblauch und Kartoffeln untereinander verkaufen. Auch Tauschgeschäfte sind hier noch ganz üblich. Es gibt auch für uns Touristen etwas zu erstehen, Wollsachen, zum Beispiel und Schnitzkunst.
In der Cantina des Mercado Artesana werden frische Gerichte mit Meeresfrüchten geboten, aber auch Hühnchen für solche wie mich ;) Zu allem isst man hier Kartoffeln, denn die gibt es schließlich auf jedem Acker. „Vor mehr als 12.000 Jahren aß man hier schon diese Knollen. Das wurde mit archäologischen Ausgrabungen bewiesen.“ erzählt uns Pablo auf dem Weg zu einem Bauernhof. Alle heutigen Sorten haben zu 90% den Genpool der chilotischen Kartoffeln in sich, wenn ich das richtig verstanden habe. Das hier ist also die Wiege der Kartoffel, abgesehen von Peru (mit dem man sich offensichtlich gern um Lebensmittel-Ursprünge streitet, siehe Pisco). „An der Universität Austral hat man 400 ursprüngliche Sorten dokumentiert, allein 300 davon gibt es noch auf den Äckern und Gärten Chiloés.“ behauptet unser Guide stolz.
Besuch bei der Kartoffelbäurin
Wir treffen Frau Myriam bei der Arbeit. Die dralle Dame ist eine echte Chilotin, wuchs hier als Kind von Bauern auf und ist gerade mitten in der Ernte. Es war Tradition, dass die Mutter der Tochter eine Kartoffelpflanze schenkt, wenn sie heiratet. Und so baut Myriam auf ihren 22 Hektar Land mittlerweile sechs verschiedene Kartoffel-Sorten an. Neben der beliebten Romana, einer modernen Züchtung, die sie gerade aus der Erde gräbt, steckt sie auch wilde Sorten, die pink oder lila Sprenkel haben oder ganz schwarz sind. Sie haben Namen wie Michuñe, Clavela Lisa oder Tigra.
Myriam steckt jedes Jahr andere Sorten und verkauft sie dann an die Supermärkte. Für einen Sack Kartoffeln bekommt sie ca. 14 Euro. Lilafarbene Kartoffeln seien gerade sehr beliebt, daher gibt es bei ihr dieses Jahr auch Michuñe negras. „Chiloten sind Kartoffelfresser“, lacht sie. Man nutze die alten Sorten gern für Salate, die Lengua de vaca „Kuhlippen“ seien ideal für Pommes. Wir futtern uns durch Brombeerhecken bis zu Myriams Exotenacker. Hier hat sie Erdäpfel gesteckt, die äußerlich knallrot und pechschwarz sind, innen sonnengelb.
Dinner mit Kartoffeltorte
Wir bleiben leider nicht zum Essen, bekommen aber im Mar y Canela, neben unseren Hostel Palafito, ein komplettes Kartoffelmenü geboten. Aus den beliebten lila Kartoffeln zaubert der Koch ein Türmchen aus Püree mit Tomaten und Zwiebelpilzschicht. Zum Hauptgang lila Gnochi – an allem massig vom Elefantenknoblauch. Der Nachtisch hat mich dann wirklich umgehauen: Kartoffeltorte! Eine normale Apfeltorte wurde um ein Stockwerk Kartoffelstücke erweitert und mit einer Kaffeesahnecreme gekröhnt. Harter Job, wenn man das alles kosten und essen muss! Aber so lecker!
Es gibt wenig Möglichkeiten, die vielen Kohlenhydrate wieder loszuwerden. Ein Spaziergang in Castros Zentrum ist zumindest mit einem Aufstieg verbunden. Einmal noch zur hölzernen Kathedrale schauen. Mit mehr Zeit im Koffer könnte man mit Pablos Agentur Kajak fahren oder per Fahrrad durch die Nationalparks im Westen und Süden Chiloés düsen. Vielleicht auch mal einen traditionellen Curanto (Erdofen-Eintopf) kosten, wenn nicht gerade Muscheln drin sind… Nächstes Mal!
Bis dahin winken wir über den Cachao Channel und hüpfen erst einmal an Bord der Evangelistas, einer der Navimag-Fähren, die uns 3 Tage lang durch patagonische Fjorde weiter nach Süden bringen soll.
Es gibt wissentlich kein Netz an Bord, also bis viel später
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Vielen Dank an Turismo Chile für die Unterstützung dieser Recherchereise
Stichworte: ausflug, chiloe, insel, kartoffel, Patagonien