Das Marienfest Hidar-Zion in Aksum (Äthiopien) erleben
Dehna yiwallu!
Das war Amharisch und bedeutet dasselbe, was hier sonst auch zur Begrüßung steht. Das ist also das legendäre Abessinien, das Land, in dem Arthur Rimbaud gelebt und gehandelt hat – vornehmlich mit Elfenbein und Waffen. Rimbaud hat sich größtenteils in Harar aufgehalten, liegt im Osten, mutet in sämtlichen Beschreibungen eher orientalisch als afrikanisch an. Dort kommen wir auf diesem Trip aber leider nicht vorbei.
Also sagen wir einfach, das hier ist Äthiopien, das Land, an das ich als Kind Spielzeug gespendet habe, weil es von Hungersnöten heimgesucht wurde. Und auch heute noch wird. Dazu kommt, dass Äthiopien eines der ärmsten Länder der Welt ist. Laut Reiseführer könnte das Land sich selbst sehr wohl ernähren, allerdings müsste man da einiges an Logistik auffahren, um die Lebensmittel vom ertragsreichen Teil des Landes in den trockenen zu verfrachten. Umsiedlungen sind wohl noch heikler. Also hungern die Menschen, wenn die Ernte ausfällt und warten auf Hilfsgüter.
Warum nach Äthiopien?
Was also bewegt Menschen zu einer Reise nach Äthiopien? Betrachten wir das mal völlig emotionslos: Schöne Landschaften gibt es auch in anderen Ländern, freundliche Menschen und Kaffeeplantagen ebenfalls, Herrn Rimbaud kennt außer mir und vielleicht der Hälfte der deutschen Literaturwissenschaftler niemand, Waffen und Elfenbein werden (offiziell) nicht mehr gehandelt… da bleibt nicht viel. Und doch saßen im Flieger einige Passagiere. Studienreisende! Für Geschichtsfreaks, Bibelwissenschaftler und Hobbyarchäologen ist Äthiopien nicht gerade unspannend. Und ich bin einer davon!
Kurz und knapp: Flüge, Visum, Hotel, Impfungen, Gesundheitsmaßnahmen und Gepflogenheiten im Land.
Kam die Königin von Saba in Äthiopien?
Die Äthiopisch-orthodoxe Kirche ist eine der ältesten überhaupt. Man beruft sich auf Menelik, den Sohn König Salomons und der Königin von Saba (hier nennt man es Sheba). Dieser soll die berühmte Bundeslade mit den Steintafeln und den 10 Geboten nach Äthiopien entführt haben, heim ins Reich seiner Mutter. Die Hauptstadt war zu dieser Zeit wohl Aksum im Hochland von Abessinien. Dort lagert die Bundeslade angeblich noch heute, zu sehen bekommt die niemand, eine Kopie wird zu hohen Kirchenfesten herumgetragen.
Es gab Zeiten, da hieß Äthiopien noch Aksum. Angeblich nahm das Aksumitische Reich den jüdischen Glauben an, weil seine Königin (also die von Saba) die Weisheit König Salomons so toll fand, dass sie auch unbedingt dessen Gott anbeten wollte. Man begibt sich in ein Labyrinth von Mythen, Legenden, aus biblischen und anderen religiösen Quellen stammende Belege, Datierungs- und Übersetzungsinterpretationen, wenn man versucht diese sagenhafte Königin archäologisch oder genealogisch aufzuspüren oder sogar nachzuweisen. Eventuell war das Aksumitische Reich ihre Reich und Aksum ihre Hauptstadt, eventuell hatte sie einen Sohn mit dem König Israels und eventuell hat dieser die Bundeslade gestohlen… Wie es auch immer sei, die Kaiser Äthiopiens nannten sich die Nachfahren des Sohnes von Salomon, auch der letzte Kaiser Haile Selassie und wurden als solcher in Aksum, dem heiligen Ort der Bundeslade gekrönt.
Hidar-Zion-Fest in Aksum, Nord-Äthiopien
Wie es der Zufall will: Wir kommen in Aksum an einem kirchlichen Feiertag an. Das höchste Fest der äthiopischen Kirche ist das der Maria von Zion/ Jungfrau Maria, Ende November. Hidar Zion feiert man in Aksum rund um die Kirche der Heiligen Maria von Zion, die seit dem 4. Jahrhundert hier steht. Und eben da wird die Bundeslade aufbewahrt – was man allerdings glauben muss, denn gesehen hat die Tafeln des Moses immer nur der aktuell wachende Mönch (von seiner Ernennung zum Wächter bis zu seinem Tode).
Wir tauchen im Trubel der kleinen Stadt unter. Pilger aus allen Teilen des Landes kommen zum Hidar Zion. Lange Fußmärsche liegen hinter ihnen, nicht jeder hat Geld für den Bus. Sie sind in weiße Gewänder gekleidet und schieben sich im Strom durch die staubigen Straßen zum zentralen Marktplatz. Ziegen, Schafe und Kamele stehen am Straßenrand. Schirmhändler haben heute wohl Konjunktur. Sie verkaufen nicht einfach nur Sonnenschirme! Aus Samt und mit Gold bestickt werden hier Prestige-Objekte feil geboten.
Auf dem Marktplatz seh ich die Schirme aufgespannt wieder. Ihre Halter sind ebenfalls in bunte Stoffe gehüllt, Kreuze auf ihren Kappen deuten auf ein priesterliches Amt. Die Schirmträger bilden eine farbenprächtige Mauer um den Platz. In ihrem Kreis findet das Fest statt.
Fotostrecke >> Die Gesichter Äthiopiens
Der Erzbischof sitzt unter einem großen Feigenbaum mitten auf dem Platz, umgeben von ein paar Hundert Priestern. Einer der Priester im schwarzen Gewandt sammelt Geld in einen Schirm, mit Mikro und vor laufender Kamera – ein neues Kirchenmuseum soll es geben. Ein Chor läuft auf dem Platz auf, äthiopische Fahnen werden geschwenkt. Mädchen in blauen und grünen Gewändern mit Häubchen, die mich an Sternsänger erinnern, wiegen sich im Gesang. Ein schmales Männlein begleitet den Chor mit einem interessanten Instrument im Arm – Katzenquäler nennt es einer meiner Kollegen. Während die Frauen ihre Lieder singen, schlagen Männer große Trommeln, die für mich nach dem nicht-christlichen Afrika klingen, aber dennoch zur Liturgie passen. Ich bin schon lange kein frommer Kirchgänger mehr, aber diese enthusiastischen Menschen zu erleben, ist sehr berührend.
Ein angehender Diakon hat versucht, mir das Fest zu erklären. Es geht um die Bundeslade und Gottesmutter Maria, deren Mutterleib durch die Bundeslade symbolisiert wird. Hidar Zion dauert mehrere Tage. Predigten und Prozessionen wechseln sich dabei ab. Gestern Nacht sei der Pilgerstrom stundenlang um die Marienkirche gezogen. Gerade erleben wir die letzten Stunden des Festes. Nach dem letzten Choral wandern die Pilger langsam vom Platz, es müssen Tausende sein. Ein weißes Meer voller Menschen teilt sich in alle Richtungen auf.
Stelenpark von Aksum
Neben der Maria von Zion-Kirche kann Aksum einen von der UNESCO ausgezeichneten Stelenpark vorweisen. Bis zu 33 Meter hohe Granitblöcke mit eingekratzten Fenstern wurden in Aksum vermutlich zur Blütezeit des Königreichs von Aksum, vor ca. zwei Jahrtausenden aufgestellt. Sie wirken wie zweidimensionale Hochhäuser und haben detaillierte Gravuren. Unter ihnen liegen Gräber, meist genauso viele wie die Stelen „Stockwerke“ haben -und das sind bis zu 10. Könige sollen hier begraben sein.
Der Stelenpark liegt mitten in der Stadt, aber auch außerhalb und in ganz Äthiopien soll es diese Grabsteine geben. Die noch stehenden, großen Stelen werden von Seilzügen gehalten, andere liegen in Teile zerbrochen am Boden. Der „Obelisk von Axum“ ist komplett eingerüstet – das ist die Stele, die Mussolini 1937 entführt hatte und erst vor drei Jahren von Italien wieder an Äthiopien zurückgegeben wurde.
UNESCO-Video über Aksum
Palast der Königin von Saba
Außerhalb der Stadt hat ein Hamburger Archäologe unter dem 1300 Jahre alten Mauern des Palastes von Dungur den angeblichen Palast der Königin von Saba ausgegraben. Zumindest bestand der Führer der anwesenden deutschen Reisegruppe darauf, dass man unbedingt die Homepage des Profs besuchen sollte. Nach meinen verwirrenden Recherchen über diese Königin bleibe ich noch eine Weile bei der Theorie, dass das Land von Saba in Südarabien und damit dem Jemen lag. Aber der ist vom Horn von Afrika ja nicht weit weg…
Der Stein von Ezana
Auf dem Weg vom Palast zurück nach Aksum halten wir noch an einem kleinen Häuschen, das den Ezana-Stein beherbergt. Ähnlich wie der Rosetta-Stein birgt der Stein eine Inschrift in drei verschiedenen Sprachen. In Sabäisch, Ge’ez (Aksumitisch) und Altgriechisch werden die Heldentaten des König Ezana gelobt und ein weiteres Mal die Bundeslade erwähnt. Der Stein stammt wohl aus dem 4. Jahrhundert. Verdammt viel Geschichte und Archäologie waren das heute!
Ich bete jetzt mal, dass unser Zimmer heute Nacht nicht zu Leben erwacht und mich auffrisst oder ankrabbelt. Morgen geht es zu den Felsenkirchen des Landes, in Lalibela. Ich erwarte etwas in Richtung Petra.
Dann mal archäologische Grüße und ein Ave Maria zum 1. Advent!
Claudi
Ich reiste auf Einladung von Ethiopian Airlines und Diamir Erlebnisreisen
Stichworte: abessinien, aksum, fest, hochland, kirche, kultur, religion, rundreise, stele