Lalibelas Felsenkirchen hinterlassen viele Eindrücke
Die dreckigen Details mal gleich zu Beginn, weil sie noch so „frisch“ sind: Ich habe bisher 24 Flohbisse an meinem Körper gezählt. Anhand der Zahl schließe ich auf eine ganze Gruppe dieser possierlichen kleinen Blutssauger, sollten die bis zum Wochenende nicht in meinen Waschorgien und Staubsaugfestivals untergegangen sein, eröffne ich am Montag den ernsten Deutsch-Abessinischen Flohzirkus! Wie lange der geöffnet bleiben wird, habe ich noch nicht final beschlossen, hauptsächlich deshalb, weil der Direktor (das bin ich!) irgendwann von der Pest dahingerafft werden könnte… Die Überschrift hätte also auch der Flohwalzer sein können.
Äthiopiens Flughäfen sind hochgesichert
Wir bewegen uns konstant auf über 2000 Metern Höhe, Addis, Aksum, und nun Lalibela – alles recht hoch. Wobei Lalibelas Flughafen 1000 Meter tiefer liegt als das Dorf selbst. Dahin zu kommen hat mich Nerven gekostet. Mein Weitwinkelobjektiv hat die Aksumer Security gleich zweimal auf den Plan gerufen. Das Ding sieht im Gepäckscanner angeblich aus wie eine Bombe. Und deshalb habe ich die Kraxe auch zweimal auspacken und das Wunderding vorzeigen dürfen. Nicht witzig! Aber ich wäre nicht ich, wenn ich am Ende der Reise nicht wirklich eine Bombe ins Gepäck gepackt hätte – eine Glasflasche in Granatenform mit Energydrink. Ging problemlos durch!
Kurz und knapp: Flüge, Visum, Hotel, Impfungen, Gesundheitsmaßnahmen und Gepflogenheiten im Land.
Lalibela und die 11 Felsenkirchen
Zurück nach Lalibela (benannt nach einem König dieses Namens) und den Felsenkirchen. Da haben geschäftige Menschen und angeblich auch ein paar himmlische Heerscharen in die Felsen senkrecht hineingeschürft und teilweise komplett freistehende über 10 Meter hohe Kirchen gekerbt – 800 Jahre vor der Erfindung des Baggers. Wir erkunden noch am Nachmittag die erste Gruppe dieser Felsenkirchen. Das Bet Medhane Alem gilt als die größte Felsenkirche der Welt. Ein weißes Segeltuch spannt sich über die Kirche, die haltenden Stahlpfosten lassen Ausgrabungsstimmung aufkommen. Mystische Verzauberung muss man jetzt nicht erwarten. Aber der lange schmale Gang durchs Gestein macht es schon spannend bevor man in die große Halle eintritt, die mit Kühle Willkommen heißt.
Es ist relativ dunkel, Licht fällt nur durch die fensterartigen Löcher in den Wänden. Auf dem kalten Steinboden liegen Teppiche aus – barfuß gehört zum Kirchenbesuch. Statt eines Altars prangt eine Ikone an exponierter Stelle, neben ihr sitzt ein Priester, der starr und in sich gekehrt ein großes, kunstvoll gearbeitetes Kreuz trägt. Und eine Sonnenbrille. Eine Orgel kann man hier nicht erwarten, stattdessen schlagen die Priester hier an Feiertagen die afrikanischen Trommeln, wie schon in Aksum.
Wir bleiben im Gemäuer, folgen labyrinthischen Gängen und erreichen so die nächste Kirche: Bet Maryam, die Marienkirche soll die älteste aller Lalibela-Kirchen sein. Ihre Decken, Bögen, Säulen und Wände sind teilweise mit Stoff abgehangen. Auch hier stehen nur an wenigen Stellen Ikonen und Trommeln. Ein Paar Bänke stehen für Besucher bereit, die einem wirklichen Pilgeransturm aber kaum gewachsen sein dürften. Nur wenige Besucher sind heute hier. Sie sitzen in weiße Gewänder gehüllt und lesen in ihrer Bibel oder lauschen dem Priester, der halblaut vorliest.
Dem felsigen Labyrinth entkommen, gehen wir die staubige, buckelige Straße durchs Dorf Lalibela zurück zum Hotel. Mit Plastikplanen verhüllte Holzstände dienen als Marktstände, das Cafe der Königin von Saba scheint geschlossen, auch das Internet-Cafe sieht nicht intakt aus. Tukul nennen die Einheimischen ihre Stroh gedeckten Rundhäuschen aus Lehm, die unseren Weg säumen. Wir sehen einem Ikonenmaler zu, der mit zwei Schülern gerade vor seiner Hütte sitzt und Heilige malt. Lalibela ist entspannt.
Kaffeezeremonie mit Wubit
Wir entspannen am Abend bei einer traditionellen Kaffeezeremonie. Da lernen ich auch Wubit kennen. Sie versucht ernst und konzentriert zu wirken, während sie die Kaffeebohnen auf diesem kleinen Tonstöfchen röstet, trotz Anstrengung geduldig die Bohnen zermörsert und dann in einer archaischen Kanne aufkocht. Unter Dauerblitzlichtgewitter gießt sie die braune Brühe aus der schweren Kanne in die kleinen Kaffeeschälchen. Unsere Reisegruppe ist sichtlich angetan von der feierlichen Zeremonie des Kaffeetrinkens im Heimatland der braunen Bohnen. Ich kann wie immer nur nippen, ohne Milch geht das Zeug nicht runter. Wubit verrät mir ihren Namen erst am kommenden Morgen, als sie mir wortlos einen Zettel in die Hand drückt. Während ich die Rechnung erwarte, ist es eine Adresse. Ihre Adresse. Ich nehme an, ich habe jetzt eine äthiopische Brieffreundin!
Fotostrecke >> Die Gesichter Äthiopiens
Kirche des Heiligen Georgs
Während ich mit Wubit Adressen austausche, sind die Kollegen noch in der Kirche des Heiligen Georgs, die heute Morgen von vielen Pilgern aufgesucht wurde. Ich sehe die Kirche erst am Mittag – fast schon einsam und verlassen. Sie steht allein und hat keine Tunnelverbindung zu anderen Kirchen, weder im neuen noch im himmlischen Jerusalem. König Lalibela ließ das Bet Giyorgis nach einer Eingebung des Heiligen selbst erbauen. Es war vermutlich die letzte der 11 Kirchen und eindeutig die beeindruckendste. Der Grundriss sieht aus wie ein Malteserkreuz, und das geht 12 Meter senkrecht in den Felsen. Die Auch die Innenräume wurden herausgearbeitet und werden als Gebetsräume genutzt, außen herum wurde ein Gang von mehreren Metern freigehauen. Ein wahnsinnige Leistung, auch wenn es weiches Tuffgestein ist. Diese Kirche ist das absolute Highlight!
Das neue und das himmlische Jerusalem
König Lalibela wollte in Lalibela Jerusalem nachbauen und ließ daher die elf Kirchen im 12. Jahrhundert errichten. Die Felsenkirchen sind keine Kopien Jerusalemer Kirchen. Die nordwestliche Kirchengruppe repräsentiert das irdische Jerusalem und symbolisiert Menschen und Stationen im Leben Jesu (Maria, Golgotha und das Kreuz). Die Gruppe wird durch einen Fluss, dem Yordanos, von einer südöstlichen Gruppe getrennt. Bei Überquerung des Jordan tritt man ins himmlische Jerusalem ein, dessen Kirchen vor allem den Weg Jesu in den Himmel symbolisieren sollen und verschiedenen Engeln und Heiligen (Emanuel, Markus, Gabriel und Rapahel) gewidmet sind. Warum die Kirchen quasi dem Erdboden gleich versteckt wurden, ist nicht ganz klar. Es gibt die Theorie, dass sie in der Erde geschaffen wurden, aus der biblisch betrachtet auch der Mensch geformt wurde… Beeindruckend sind sie auf jeden Fall.
Grottenkirche Neakuto Laab
Zum Abschluss haben wir die Kapelle Neakuto Laab besucht, die unter einem Felsvorsprung ausgeschabt wurde, also mehr eine Grottenkirche ist. Wie unsere PR-Begleitung vorher warnte, springen in den Vorhängen der Kirchen gern die Flöhe herum. Beim ersten Ausflug habe ich noch zu NoBite gegriffen, danach haben wir die arme Frau nur noch verspottet. Und dann sowas: In der Neakuto Laab habe ich offensichtlich die Flöhe aufgelesen, die nun in meiner Wohnung weilen! Und die saßen auch nicht in den Vorhängen, sondern auf den Teppichen. Auf dem Teppich stand ich mit verkniffenen Füßen, während der Priester uns ganz stolz eine mit Ikonen verzierte Bibel zeigte, die dort aufbewahrt wird und gar nicht so ernst und starr wie seine Kollegen in den Felsenkirchen für ein Foto posierte. Ich war als abgelenkt, die Flöhe kann ich nicht gemerkt haben :D
Der Kinder- und Armutsfaktor
Auf dem Weg zur Neakuto Laab erhaschten wir am Stadtrand von Lalibela einen Blick auf die landschaftliche Schönheit Äthiopiens: Weiten aus Bergen und Schluchten, Agaven und Strohhütten, Terrassenfeldern und unwirtlichem Gebirge. Aus dem idyllischen Blick rissen uns die Menschen, die wir trafen, wieder heraus. Schnell hatten wir Begleitung von Kindern, die entweder wortlos die Hand aufhielten oder nach Stiften und Geld fragten, manchmal bieten sie vorher auch an, für ein Foto zu posieren. Klingt jetzt doof, aber die Bettelei macht keinen Spaß. Sie wissen gar nicht, was sie erbetteln. Denn ein Stift reicht nicht, sie wollen zwei oder mehr. Laut Reiseführer soll man weder das eine noch das andere unterstützen. Bitter so etwas. Wir haben einer Familie Geld gegeben, damit sie uns vorführen, wie sie Sauerteig-Pfannkuchen (Injera) gemacht wird. Das sah weniger nach Almosen aus. Trotzdem ein beklemmendes Gefühl, aber auch dieses Bild gehört zu Äthiopien.
Traditionelles Injera zum Abendessen
Gebissen haben die Flöhe wohl erst auf dem Weg nach Deutschland, beim traditionellen Abendessen habe ich jedenfalls noch nichts bemerkt. Da isst man von einem kleinen runden Tisch auf Sauerteig gehäufte Scharfspeisen aus Bohnen, Linsen und Fleisch, Gemüse war wohl auch dabei. Ich fand’s geschmacklich sehr lecker, obwohl ich kein Fan von Injera werde.
Zur musikalischen Begleitung trat eine Gruppe Folkloriker auf – die renken sich bei der Musik eines Katzenquälers die Schultern regelrecht aus, im Sekundentakt! Die Klänge sind gewöhnungsbedürftig, aber ich glaube, Kurt Cobain hat dort Anleihen genommen. Vielleicht sollte ich den Flöhen was von Nirvana vorspielen, um sie zu finden? Naja, das ist Jammern auf westlichem Niveau. Die Kirchen waren es Wert ;)
Grüße also aus dem Flohzirkus!
Claudi
Ich reiste auf Einladung von Ethiopian Airlines und Diamir Erlebnisreisen
Stichworte: abessinien, felsenkirche, kultur, lalibela, menschen, religion