Reisetipp: Hobbingen, eine Filmset-Tour hin und zurück
Dunkel wie in einer Höhle. Von der hintersten Vitrine blitzen die Ringe, die einen und die vielen. Kleidung für den modernen und althergebrachten Hobbit hängen an den Wänden. Sie umrahmen altertümliche Kisten voller Schafswolle. „Ian ist gleich da.“ bestätigt mir die Dame an der Kasse des Souvenirgeschäfts. Ian kommt hollywoodmäßig um die Ecke, legerer Fleece-Sweater und Sonnenbrille unter dem weißgrauen Haar. Auf mich wirkt er wie Gandalf auf Bilbo, passt ja dann. „Los geht’s, ich zeig euch mal Hobbiton!“
Wir bekommen eine Privattour über die Alexanderfarm, inklusive Gatter öffnen und Bullen verjagen. Die Schafe sind sicher. Sie tupfen sich entlang der grünen Hügel, durch den uns Ian mit dem kleinen Shuttlebus schaukelt. Ian Brodie ist ein spezieller Guide. Er kennt das Set besser als Peter Jackson und hat erst kürzlich sein Buch über die Herr der Ringe-Sets auch in Deutsch vorgestellt. „Ich komme quasi gerade von Frankfurt.“ Als Media-Manager am Set von Matamata kennt er einige Geschichten von den Dreharbeiten zu Der Hobbit-Trilogie, die erst kürzlich abgeschlossen wurden. Außerdem ist er natürlich selbst großer Fan – von Tolkien (hat die Trilogie 45 mal gelesen) und auch den Verfilmungen.
Das Movieset vom Auenland versteckt sich hinter den sieben Bergen, es geht auf und ab, immer noch mehr Grün und noch mehr Schafe tauchen am Fenster auf. „Zur Zeit sind es ungefähr 12.000“, weiß Ian. Keine Filmschafe. Wir sehen noch immer nicht Hobbingen (Hobbiton), denn vorher muss uns der Guide noch den schönsten Blick übers Auenland zeigen und die Anfahrt zur gut gehüteten Attraktion zieht sich ganze 20 Minuten. In dieser Zeit vermittelt Herr Brodie, dass hier zu Drehzeiten bis zu 800 Leute herum wuselten. Die Armee musste anrücken, um einen Weg für die Trucks der Studios durchs Farmgelände zu ebenen. Neun Monate Vorbereitung für drei Monate Drehzeit.
„In weniger als 2 Monaten geht es hier richtig los. Wenn der erste Teil des Hobbits ins Kino kommt, muss alles fertig sein. Wir erwarten große Besucherströme.“, erklärt Ian den noch nicht kompletten Parkplatz, um den sich Bauarbeiter, eine Planierraupe und diverse Erdhügel scharen. Das Eingangsschild, wie ich es noch von 2006 kenne, wurde lieblos ins Gebüsch geworfen. Wir betreten schließlich ein neues Hobbingen, ganz wie Gandalf im ersten Herr der Ringe-Teil – nagut, wir laufen über den Steinweg zwischen den Hügeln entlang, Gandalf fuhr auf einem Eselskarren. Wir stellen uns dennoch vor, rechts und links des Weges, kleine Menschenartige mit behaarten Füßen zu sehen, die freundlich mit ihrem Gemüse winken.
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Am Ende der Durchfahrt öffnet sich der Weg zum Dorfplatz. Vor uns erhebt sich der Bühl, auf dem die Beutlins, Tuks, Gamdschies und Brandybocks leben. „Für den Hobbit wurde das gesamte Set von Herr der Ringe wieder aufgebaut“, erklärt Ian, „eigentlich hatte Jackson danach alles niederreißen lassen, nur ein paar Höhlen hatten überlebt. Das waren nur Verschläge und Fiberglas. Aber jetzt sind noch 5 Hobbithöhlen dazu gekommen. Aus Stein und Holz, mit Glasfenstern und vielen Details. es wurde von Anfang an auch als Touristenattraktion gebaut.“ Ich erinnere mich, ich saß in so einem Verschlag. Es bot neben dem Bilbo-Blick auf den See auch Schutz vor dem Regen. Leider strahlt auch heute der Himmel nicht ganz blau.
Fotos von damals, als Hobbingen noch grün, weiß, schwarz war
Die wenigen Sonnenstrahlen gleißen über die farbenfrohe Szenerie. Noch bevor ich die bunten Türen der Höhlen – oder sind es Hobbithäuschen? – in Worte fassen kann, platzt meine floristische Begeisterung heraus „Gärtchen! Mit echten Blumen!“. „Ja, die wurden dieses Mal nach dem Dreh alle belassen und werden jetzt gehegt und gepflegt“, antwortet Ian. Wie viele Leute sind hier tätig? „30 Landschaftsgärtner haben das gezaubert, 6 Mitarbeiter kümmern sich weiterhin darum, dass zu jeder Jahreszeit etwas blüht oder wächst.“
Ian ist verliebt in die Detailtreue der Produktionsfirma. Begeistert erzählt er, dass all die kleinen Schornsteine demnächst rauchen werden. Dass sich das Rad der Mühle am See dreht und im Green Dragon, der Dorfkneipe der Hobbits, Drinks am Kaminofen gereicht werden. Es ist ein ganz neues Hobbingen. Wir stehen neben dem Partybaum und schauen hinauf zum Beutelsend (Bag End), wo Bilbo Beutlin und Frodo wohnen. Meine Augen hüpfen von einer blauen Tür zu einer gelben zu einer auberginfarbenen…
Eine jede Höhle hat einen Garten, einen Zaun und „einen eigenen Briefkasten, dessen Bemalung auf die Vorlieben des ansässigen Hobbits hinweist“, erläutert Brodie. Wir nehmen den Weg auf, fotografieren weiße Rosen, gelben Fingerhut und blaue Sträucher vor den hölzernen Türen und kleinen Schaukelstühlen – wie aus einem Fantasy-Buch. Gerade als ich bemerken möchte, wie wenig Touristen hier unterwegs sind, sehen wir vom obersten Hügel aus, wie sich ein großer Bus den Weg durch die grüne Auenlandschaft bahnt.
Noch haben wir ein paar Minuten für uns. Hinter uns gehen die Stufen hinauf zur kreisrunden Tür, „grün gestrichen mit einem blanken gelben Messingknopf genau in der Mitte“ (wie es Herr Tolkien beschreibt). Pinker Sonnenhut rahmt den berühmtesten aller Hobbithöhleneingänge. Ein Spalt steht sie auf, die Tür. Aber betreten ist mittlerweile nicht mehr erlaubt. Die Vorstellungskraft muss genügen, man weiß ja, dass eine Hobbithöhle tief in den Hügel hineingeht, viele Räume und Winkel besitzt, weil Hobbitse gerne Sammeln und Dinge anhäufen. Es wäre vermutlich enttäuschend zu sehen, dass da gar nichts dahinter ist.
„Die Innenszenen wurden im Studio in Wellington gedreht, nicht hier.“ Hobbitfeeling kommt dort auf, wo eine Hobbithöhle unbezäunt in den Hügel gegraben wurde. Da stehst du nun, und bist so groß wie die Tür! Ein paar Hausnummern weiter darf man sich dann ganz wie der große Zauberer fühlen und vor einer Tür posieren, die unter 1,50 Meter hoch in der Verankerung hängen dürfte. Der Effekt ist klar, man konnte weder Ian McKellen noch Martin Freemann schlecht strecken und schrumpfen, um ins Set zu passen. Wellywood-Magie eben.
In Wellington war ich auch auf einer Herr der Ringe-Filmset-Tour
Am Honigtöpfchen und den arbeitenden Gummistiefel-Hobbitsen im zentralen Garten vorbei landen wir wieder am Partybaum und dem bräunlichen See. Das Wetter trübt sich ein und zum Green Dragon dürfen wir leider noch nicht. „Es muss perfekt sein. Erst dann darf es die Öffentlichkeit sehen.“ Unser Pech, wir müssen die Andeutungen der kleinen Steinhäuschen mit den rundlichen Holzdächern von Weitem ihren Pendants im Auenland zuordnen und die Bagger wegdenken. Wer möchte schon die Magie des Erdschaufelns sehen, wenn es dazu keinen Drink gibt?
Es sind fast zwei Stunden vergangen. Ian bringt uns zurück zum Souvenirshop, neben dem Parkplatz. Sein Buch in Deutsch werde ich Zuhause ordern, um das Gepäck nicht zu belasten. Ein letztes Shake-hands und dann verschwindet Ian Brodie wieder in seinem Büro oder fährt auf Fototour über eins der Herr der Ringe-Sets irgendwo in Neuseeland. Bevor wir wieder ganz in die Welt der Menschen eintauchen, schauen wir noch über den Zaun des Parkplatzes. Dieser grenzt an einen kleinen Streichelzoo – natürlich nur Schafe! Die entspanntesten und glücklichsten Lämmer sonnen sich hier den Pelz. Auch wenn sie nicht hobbit-filmreif sein mögen, fotogen sind sie allemal!
2012 kostete die Hobbiton Movie Set Tour 75 NZD pro Person. Vorbuchen kann Vorteile haben. Mehr Infos auf http://hobbitontours.com/
Diese Recherche wurde unterstützt von Tourism New Zealand. Ich bedanke mich herzlich bei Ian Brodie für die informative Führung.
Stichworte: filmset, hobbingen, hobbiton, Matamata, tour